Wälle – «Mache statt Lafere»
Als ich Wälle anfragte, ob er bereit wäre für ein Mitarbeiterportrait, war seine erste Reaktion: «Muss das sein?». Und dann: «Aso guet, dänn halt».
«Wälle» sagen wir alle, heisst aber eigentlich Walter Pfister. Nachdem er jahrelang die Leitung des Spargelhofs innehatte, ist er heute neben Martin und Beat Jucker Verwaltungsratsmitglied und Co-Geschäftsführer der Jucker Farm AG. Für verschiedenste Mitarbeiter ist er mittlerweile als Mentor tätig und hat ausserdem interimistisch die Leitung des Römerhofs inne.
In seinen Jahren als Chef des Spargelhofs in Rafz hat er im Alleingang die Jobs gemacht, die heute auf 4 Personen verteilt sind: Hofleiter (Beni Keil), Produktionschef (Piotr Koziel), Chef Vertrieb (Raphi Peterhans) und Hofladenleiter (Ale Caggegi). Aber dazu später mehr 😉.
Ohne Wälle wäre alles nichts. Jahrelang hat er mit seinem Team in Rafz die Produktion aufgebaut und umgesetzt. Ohne Wälle hätte es keine Spargeln, keine Beeren, keine Melonen und keine Kürbisse gegeben. Er war das Herz und die Seele der Produktion. Eigentlich hätte er für seinen Einsatz mindestens einen Orden kriegen müssen. Wahrscheinlich hat niemand in den Jahren so viel für die Jucker Farm «gkrampfet» wie er. Allerdings würde er als bodenständiger Mensch sowas gar nie annehmen.
Wenn ihr wissen wollt, wie Wälle tickt, lest das hier. Der Mann ist blitzgescheit und hat immer sehr gute Antworten parat:
Landwirt von Anfang an
Geboren ist Wälle Anfang der 70er-Jahre auf einem Bauernhof in Freienstein ZH. Für ihn war von Anfang an klar, dass er Bauer werden würde, mit dem Ziel, irgendwann den elterlichen Hof zu übernehmen. Von Beginn an ist er mit seinem Vater mitgelaufen und in den Betrieb reingewachsen. Am Ende seiner Lehre bekam er die Chance einen neuen Betriebszweig aufzubauen und schon bald darauf konnte er den Betrieb von seinem Vater in Pacht übernehmen. Mit dem neuen Betriebszweig, als Marktfahrer mit eigenem Verkaufsstand in Bülach, entdeckte Wälle sein Interesse und sein Talent fürs Verkaufen und den Kontakt mit den Konsument*innen. Das Verknüpfen von Produktion und Verkauf hatte ihn von Anfang an fasziniert.
Legen wir los mit den neugierigen Fragen:
Hey Wälle, erzähl’ mal: Wie hat alles angefangen?
Beat und ich haben auf zwei benachbarten Landwirtschaftsbetrieben in Mönchaltorf unser 2. Lehrjahr absolviert und sind so in Kontakt gekommen. Beat, eigentlich ein Oberländer, hatte aufgrund der Herkunft seiner Mutter und Grosseltern einen Bezug zu Rafz und damit zum Zürcher Unterland meine Heimatregion ist. So lag es auf der Hand das wir auch nach dem Lehrjahr weiter in Kontakt blieben.
Uns verband, dass wir beide sowohl Produzent als auch Verkäufer sein wollten. Beat fand es spannend, dass ich regelmässig auf den Markt ging. Und ich fand an Beat spannend, dass er die Idee mit den Kürbissen hatte. Erstmals zusammengearbeitet haben wir dann im Rahmen des Rafzerfelder Melonenprojekts, zusammen mit Dani Rutschmann.
Als Gründungsmitglied und damit Mitinhaber der Jucker Farmart AG bin ich im Jahr 2000 eingestiegen. Faktisch waren wir nach dem ersten Geschäftsjahr Konkurs, worauf sich, bis auf Martin und Beat und mir, alle Teilhaber an den verschiedenen Firmen zurückzogen. Mir selber blieb nichts anderes übrig als Kopf runter und durch. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt den Kopf bereits zu tief in der Schlinge, mein eigener Betrieb hing da bereits zu tief mit drin und es galt, die Jucker Farmart AG um jeden Preis zu retten. Die Existenz unserer gemeinsamen Firma hing damals an einem seidenen Faden. Heute mit 50 und etwas Lebenserfahrung, würde ich das wahrscheinlich nicht mehr einfach so machen. Man wird schon vorsichtiger, vielleicht manchmal auch zu vorsichtig und verpasst so Chancen als Unternehmer. Denn das Ganze war damals ein unheimlich wichtiger «Lehrblätz» für mich.
«Das Ganze war damals ein unheimlich wichtiger «Lehrblätz» für mich».
Wälle Pfister
Das klingt jetzt negativer, als es war. Ich wollte das auch. Es war ein sehr spannendes Umfeld mit Potenzial für ungeahnte Horizonterweiterungen und Platz für Visionen. Hier konnte ich machen, wirken und hatte viele Freiheiten. In Rafz war ich sozusagen alleiniger König, konnte schalten und walten wie ich wollte, ohne dass ich mich gegenüber jemandem rechtfertigen musste.
Mit Beat und Martin am gleichen Ort zu arbeiten, das wäre nicht gut gegangen, dazu sind wir viel zu unterschiedlich. Für die Firma war diese Unterschiedlichkeit aber immer sehr gut und wichtig.
Hättest du gedacht, dass du mal Teil einer solchen Firma sein wirst?
Nicht im Ansatz. Ich hatte gar keine Vorstellung davon, was daraus alles entstehen könnte. Ich war viel zu sehr mit dem beschäftigt, was im Moment war.
Wie waren für dich die Anfangsjahre?
Es war intensiv. Der Betrieb wuchs und wuchs und so auch die Mitarbeiteranzahl und die Probleme. Es geschah aber immer aus meinem eigenem Willen und dem Antrieb, gute Produkte zu produzieren und diese bestmöglich zu verkaufen, also eigentlich aus dem ganz einfachen Unternehmergedanken heraus.
Doch die Arbeit auf zwei Betrieben gleichzeitig war ein Tanz auf zu vielen Hochzeiten. Darum habe ich den elterlichen Betrieb dann an meinen jüngeren Bruder Ueli übergeben. Diesen Betrieb in die Jucker Farmart AG zu integrieren, hätte damals nicht gepasst.
Auf dem Spargelhof war ich sehr ausgelastet und zufrieden. Es hing da zwar alles an mir, aber ich konnte auch viel bewirken.
Dann warst du als Chef des Spargelhofs 20 Jahre tätig – ein Job den heute 3, oder 4 Leute machen. Wie hast du das gemacht?
Also: Das war ja nicht von Anfang an so. Ich bin mit der Entwicklung mitgewachsen und habe den Betrieb laufend aufgebaut. Vieles geht auch leichter aus der Erfahrung heraus. Ich musste das ja nicht von heute auf morgen etwas übernehmen. Es war für mich machbar. Allerdings – und das muss man schon sagen - mit einem hohen persönlichen Einsatz und Preis. Das Privatleben hat in dieser Zeit stark gelitten. Da hätte ich die Prioritäten anders setzen sollen und ich sah die Grenze nicht mehr. Insgesamt habe ich es trotzdem als positiv erlebt, weil ich ganz einfach gerne arbeite. «Mache – nöd lafere» - das ist meine Devise. Über das Machen definiere ich mich. Insofern war diese Zeit auch bereichernd.
«Mache, nöd lafere» - das ist meine Devise.»
Wälle Pfister
Was ist deine Aufgabe/Rolle heute?
Zusammen mit Beat und Martin bin ich «zur Geschäftsführung delegierter Verwaltungsrat».
Ich habe interimistisch die Leitung des Römerhof inne. Zudem bin ich immer noch dabei, die Entwicklung des Spargelhof zu begleiten. Ich stehe dem neuen Hofleiter Beni Keil als Mentor zur Seite. Er geht bei mir sozusagen in die Lehre. Umgekehrt gehe ich auch bei ihm in die Lehre – bei so vielen anderen Dingen.
Allerdings muss ich etwas aufpassen. Loslassen fällt mir immer noch schwer und der Grat zwischen zu viel reinreden und Wissen weitergeben ist schmal. Man kann und darf das Rad der Zeit nicht aufhalten und immer nur am Altbewährten festhalten, ist gefährlich.
Würdest du rückblickend etwas anders machen?
Ich würde definitiv mehr Verantwortung abgeben, die Mitarbeiter besser befähigen, in ihrer Rolle zu wachsen und Stellvertreter aufbauen. Ich war immer sehr nah an den Leuten dran und hatte das Gefühl, die ganze Verantwortung über alles tragen zu müssen. Das war sicher falsch. Drum hat’s am Ende auch nicht mehr geklappt weil ich die Kontrolle über alles nicht mehr halten konnte.
Heute bin ich aber froh um diese Erfahrung und wie sich alles entwickelt hat. Mit 45 habe ich mir bewusst gesagt: «Wälle, mit 50 hast du den Hof übergeben, so dass er funktioniert.» Ich war nicht mehr zufrieden damit, wie’s gelaufen ist.
Auch die Firma hätte nichts davon gehabt, wenn ich so weitergemacht hätte. Wäre ich in dieser Zeit ausgefallen, wäre es nicht gut gekommen.
Worauf bist du besonders stolz?
Dass es uns gelungen ist, den Spargelhof zu dem zu entwickeln, was er heute ist. Und dass wir die Produkte wirklich so hochwertig produzieren und verkaufen können, das macht Freude.
Was ist dein Herzenswunsch für die Zukunft der Jucker Farm AG?
Ich wünsche mir, dass unsere Produkte einen fairen Wert auf dem Markt erzielen. Es ist mir ein Anliegen, die Leute, die bei uns arbeiten, fair entlöhnen zu können.
Die Wertschätzung für landwirtschaftliche Arbeit im Allgemeinen fehlt manchmal in der Öffentlichkeit. Dabei ist der Preis aber nur ein Aspekt. Es geht mir auch um das Bewusstsein der Menschen, die unsere Produkte konsumieren. Dass sie sehen, wie viel Arbeit dahintersteckt und wie manchmal schwierige Entscheidungen getroffen werden müssen, damit am Ende gute, gesunde Lebensmittel entstehen.
«Ich möchte, dass sie sehen, wie viel wie viel Arbeit dahintersteckt und wie manchmal schwierige Entscheidungen getroffen werden müssen, damit am Ende gute, gesunde Lebensmittel entstehen.»
Wälle Pfister
Gibt es etwas, was du ausserhalb deiner beruflichen Tätigkeit mal noch machen möchtest? Träume?
Hm. Nein, eigentlich nicht.
Ich bin bereits einiges am Umsetzen. Seit ich die Verantwortung über den Spargelhof abgegeben habe, tue ich bewusst Dinge, die mir guttun. Ich mache wieder regelmässig und mehr Sport und habe angefangen, zu tanzen: Aktuell tanze ich dreimal die Woche West-Coast-Swing. Und auf meinen 50. Geburtstag habe ich mir endlich wieder ein Rennvelo gekauft. Früher hat mein Leben aus Arbeit bestanden. Heute gibt’s anderes, was mich auch ausfüllt.
Eigentlich bin ich happy mit dem Setting wie’s jetzt ist. Ich nehme mir bewusst JETZT Zeit raus, um im Moment leben zu können. Mehr braucht’s gar nicht.
Keine Visionen?
Gut, ok: Vielleicht nicht so bekannt, aber ich habe eine Ausgeprägte soziale Ader in mir: Manchmal würde ich gerne mehr das Soziale mit dem Beruf verknüpfen. Damit meine ich jetzt nicht, dass ich Arbeitsagoge werden will. Aber es wäre schön, wenn sich in diese Richtung etwas realisieren liesse. Auf unserem Betrieb geht das – so wie er jetzt aufgebaut ist – aber nicht. Aber wenn sich das irgendwann ändern sollte, vielleicht...
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