Der Kürbiskopf aus Ludwigsburg
Stefan Hinner dürfte derjenige Mitarbeiter sein, der am längsten bei uns ist. Seit 2002 ist er Teil des Kürbiswahnsinns. Dieses Jahr wird er seine 20. Kürbisausstellung durchführen.
Doch Stefan ist nicht hier in der Schweiz «stationiert», sondern seit eh und je in Ludwigsburg (DE), wo er mit seinem Team alljährlich einen Kürbiszirkus auf die Beine stellt, der noch viel grösser und eindrücklicher ist als das, was wir hier in Seegräben und Jona kennen.
Doch wie hat damals alles angefangen?
Stefans Geschichte mit den Juckers ist eng verwoben mit der Entstehungsgeschichte der Kürbisausstellung. Im Gespräch mit Stefan wird auch schnell klar, dass das hier kein «Standard-Mitarbeitergespräch» wird.
Eigentlich hat alles mit Jens angefangen. Mit jenem Jens, der heute auch die Kürbisausstellung in Ludwigsburg mit Kürbissen beliefert. Jens Eisenmann, Schulfreund von Stefan Hinner, hatte sich anno 1998 nämlich für ein Praktikumsjahr im Obstbau bei den Juckers in der Schweiz beworben und bat Stefan, ihn zu begleiten. Es war Februar und man könne dann doch gleich noch in die Berge fahren zum Snowboarden.
Stefan – damals noch BWL-Student – sagte zu und so sassen sie dann im Februar alle zusammen in der Küche, mit Elsbeth und Ueli Jucker. Und Stefan hat das erste Mal Kürbiskernöl gekostet und die Jucker-Brüder kennengelernt. Jens erhielt das Praktikum und dann war Herbst.
Stefan wird Kürbisverkäufer
Eines Tages im Herbst rief Jens an: «Stefan, du musst dir das unbedingt ansehen kommen, hier ist alles voller Kürbisse!» Stefan ging also als Tourist nach Seegräben – man war ja jung und spontan – doch als er ankam, wurde er kurzerhand als Arbeitskraft eingesetzt. 3 Leute waren krank geworden und Stefan sollte Kürbisse verkaufen. Gesagt getan. Nur gab es für den jungen Deutschen drei Herausforderungen: «Ich hatte keinen Plan, was Kürbisse sind, zweitens sprachen die Schweizer so «komisches Deutsch» und drittens waren manche Münzen der lokalen Währung so klein», erzählt Stefan. Doch am Ende des Tages bekam er einen Schweizer Lohn, das war für den jungen Studenten ein Vermögen und der spontane Arbeitseinsatz insofern auch in Ordnung. Der Tag blieb jedenfalls in guter Erinnerung.
Der Kürbis kommt ins Blüba
Nachdem Jens sein Praktikum auf dem Juckerhof beendet hatte, hat er die Idee des Kürbisfests für seinen Hof übernommen und Stefan hat mit ihm zusammen drei Jahre lang auf seinem Hof Kürbisfeste organisiert. Doch irgendwann keimte der Gedanke, dass das Kürbisfest unbedingt ins «Blühende Barock» gehöre – den Schlossgarten des Schlosses Ludwigsburg bei Stuttgart (DE). Der Kontakt zwischen dem «Blüba» und Jens Eisenmann war ein guter, hatte er doch schon seit Jahren im Blüba Äpfel verkauft. Und so wurde der Kontakt zwischen Blüba-Chef Volker Kugel und den Juckers in der Schweiz hergestellt und im Jahr 2000 sollte die erste grosse Kürbisausstellung in Deutschland stattfinden.
Doch wer sollte diese Ausstellung machen?
Die Jucker-Brüder konnten ja nicht in der Schweiz und Deutschland gleichzeitig zur Kürbisaustellung vor Ort sein. Deshalb suchte man nach «Locals» für die Kürbisausstellung vor Ort. Jens und Stefan halfen bei der Suche und da fiel die Wahl auf Stefans Tante Marion, die – zusammen mit dem im Elektrischen bewanderten Michael Endrizzi die ersten festen deutschen Mitarbeiter waren. Nun war es so, dass diese Tante eine Tochter hatte (Miri, die wir hier auch bald vorstellen werden), mit diversen Freundinnen, die mit Begeisterung an der Kürbisausstellung mithalfen. Ein ganzes Knäuel waschechter, teilweise alternativ angehauchter Ludwigsburger (unter ihnen auch Pit Ruge, der künftige Skulpturenkünstler), die sich mit Leib und Seele dieser neuen Kürbisausstellung verschrieben. Und dieser Geist schwingt im Blüba bis heute mit.
Stefan selber blieb beim Kürbisfest auf Jens Eisenmanns Hof. Doch dann kamen die Anschläge von 9/11, die 2001 dem Kürbisfest auf Eisenmanns Hof einen dicken Strich durch die Rechnung machten. Mit zusätzlich schlechtem Wetter kamen nur wenige Besucher und Stefan packte daraufhin seine Chance und bewarb sich bei Martin und Beat Jucker um einen «Kürbisjob». Sie nahmen ihn mit Handkuss. Und so kam es, dass Stefan im Jahr 2002 als Werksstudent und ab 2003 dann hochoffiziell bei der Kürbisausstellung angestellt war.
Kürbisfiguren, die man auch vermieten kann
Ein Jahr später hatte Stefan Hinner bereits den ersten «Naturkunst-Kunden» akquiriert: Den Erlebnishof Buschmann-Winkelmann bei Berlin, der das riesige Kürbisschiff «Santa Maria» der Jucker Farm abkaufte, die im Jahr 2003 Highlight der Kürbisausstellung gewesen war. Das ist im Prinzip das, was Stefan heute noch macht. Kürbisausstellungen an Einkaufscenter, Erlebnisparks oder Gartenschauen zu vermieten.
Ab da ist die Kürbisausstellung stetig gewachsen und hat sich weiterentwickelt. Man zog vom oberen Teil des Schlossparks «nach unten». Die ersten Kürbisfiguren, wie sie heute aussehen, wurden aufgestellt und vom ehemaligen «Aufbauhelfer» entwickelte sich Pit Ruge zu dem Kürbiskünstler, der er heute ist. Die Kürbisausstellung nahm ihre jetzige Form an.
2006 wurde Stefan erstmals Vater und insgesamt war dann alles etwas viel. Zeitgleich schrieb das Blühende Barock Ludwigsburg die Cafeteria am Rosengarten neu zur Pacht aus, worum man sich bewarb. Stefan wurde Geschäftsführer der dafür gegründeten «Rosenblüten GmbH», die fortan unter anderem als Dienstleister der deutschen Kürbisausstellung fungierte. Um das alles stemmen zu können, bekam Stefan Hilfe von Tine Krauter, die den Laden in Ludwigsburg von da an für viele Jahre schmiss, damit sich Stefan auf die externen Kunden konzentrieren konnte. In dieser Zeit stiess auch Alisa Käfer dazu, welche heute die Kürbisausstellung in Ludwigsburg leitet.
Diese «Rosenblüten-GmbH» wurde jetzt per 15. April 2021 umbenannt in Jucker Farm GmbH. Stefan Hinner bleibt deren Geschäftsführer. Er ist nun also hochoffiziell der «Kürbis-CEO» von Jucker Farm in Deutschland. Und er ist der einzige Jucker-Farm-Mitarbeiter, der auch noch alleiniger Geschäftsführer ist.
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Als «Fremder Dritter» warst du immer selbst verantwortlich dafür, wieviel du verdienst. Wie gingst du mit dem Druck um?
Wie soll ich sagen: Man gewöhnt sich dran. Und solange ich meine Leistung abliefere, muss ich mir keine Sorgen machen. Beat und Martin haben mir von Anfang an die Sicherheit gegeben, dass sie mich wollen und ich mir keine Sorgen machen muss. Sie haben mir immer absolutes Vertrauen entgegengebracht. Andersrum ging es mir genauso. Lange hatte ich gar keinen richtigen Vertrag. Meine Anstellung zu Beginn hatten wir einfach per Handschlag abgemacht. Und ich glaube keine der beiden «Seiten» hatte dabei ein ungutes Gefühl.
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Hast du manchmal auch Zweifel an deinem Job?
Nein. Keine Sekunde. Über die Kürbisausstellung als Produkt in Ludwigsburg hatte ich niemals auch nur den geringsten Zweifel. Auch nicht über die Naturkunst als Produkt. Die Reaktionen der Kunden und unserer Besucher an der Kürbisausstellung Ludwigsburg sind durchwegs begeistert. Deshalb habe ich mir nie Sorgen gemacht. Ich glaube, die Naturkunst trifft bei vielen Leuten einfach einen Nerv im positiven Sinne.
Und der Kürbis als Lebensmittel ist ohnehin meine ganz grosse Liebe. Ich sammle Kürbissamen auf der ganzen Welt. Irgendwann will ich das Ziel erreichen, dass wir die allergrösste Sortenschau der Welt mit über 1000 verschiedenen Sorten präsentieren.
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Was ist dein Job? Was machst du so den ganzen Tag?
Heute bin ich sozusagen der «Herr Naturkunst». Ich habe die Leitung der Abteilung «Naturkunst» und bin Geschäftsführer des Standorts Deutschland. Während Alisa die Ludwigsburger Ausstellung leitet, konzentriere ich mich auf die Beratung unserer Ausstellungskunden in ganz Deutschland und Europa. Da Ludwigsburg aber so etwas wie mein erstes Baby ist, bin ich weiterhin in engem Kontakt mit Alisa und stehe ihr mit Rat und Tat beiseite, wenn sie mich darum bittet.
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Wie war und ist die grenzübergreifende Zusammenarbeit mit der Jucker Farm in der Schweiz?
Natürlich waren die 20 Jahre nicht frei von Differenzen. Wir sind hier in Deutschland ja so ein bisschen die «ungezähmten Wilden», wir arbeiteten lange nur saisonal. Es wurde alles ad-hoc aufgebaut, alle machen alles. Wenn einer ausfällt, kann jeder alles machen. Das war natürlich auch der Situation und der Entstehungsgeschichte geschuldet. Das hat vielleicht von aussen manchmal chaotisch ausgesehen und die Seegräbner hatten nicht immer Verständnis für unsere fehlenden Strukturen. Aber wir haben immer gewusst was wir tun und wollten maximalen Erfolg abliefern, was auch meistens funktioniert hat.
Wir funktionieren halt ein bisschen anders und in der Zusammenarbeit merkt man diese unterschiedlichen Unternehmensstrukturen dann schon einmal. Aber auch in der Schweiz sind die Höfe individuell und jeder hat seine eigenen Besonderheiten 😊.
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Was machst du am liebsten ausserhalb der Arbeit?
Ich verbringe Zeit mit der Familie: Meine Frau ist Taiwanerin, meine zwei Jungs sind 10 und 14 Jahre alt und beide in Taiwan geboren. Wenn uns die Jungs hier nicht mehr brauchen, will ich mehr Zeit in Taiwan verbringen. Wir sagen immer: Wir wohnen nicht in Deutschland, wir sind nur im Moment hier. Spätestens zur Rente möchte ich nach Taiwan ziehen. Ich liebe dieses Land. Es ist ein Schmelztiegel der Kulturen.
Ich würde jedem Koch empfehlen, mal durch einen taiwanesischen Nachtmarkt zu laufen. Fast hinter jedem Häuserblock gibt’s einen. Die Kreativität – bedingt durch die kulturelle Vielfalt - in der Küche ist unglaublich.
Ich bin auf dem Papier zwar Deutscher, aber ich fühle mich als Weltbürger. Meine Oma ist Holländerin, mein Opa Tscheche und ich arbeite für eine Schweizer Firma. Vielleicht macht es mir auch deshalb so viel Spass mich um Kürbis-Samen auf der ganzen Welt zu kümmern. Jemand sagte mal über mich: «Mit dem kannst du nirgends wo hin gehen ohne dass er den Kürbis sieht». Und das stimmt. Im Internet surfen, um in allen Ländern Kürbis-Saatgut für die Sortenschau zu suchen ist für mich wie eine perfekte Weltreise in Coronazeiten 😉.
Danke für das spannende Interview, Stefan.
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