Zu Jucker Farm
von Nadine

Wie konnte das passieren?

Wir haben Mist gebaut. Wir könnten das jetzt einfach unter den Tisch kehren. Hoffen, dass es niemand herausfindet. Und wenn doch, unschuldig gucken und versuchen den Shitstorm auszubaden. Aber das ist nicht unsere Art. Wir haben uns auf die Flagge geschrieben, immer ehrlich, transparent und offen zu kommunizieren, auch wenn’s mal schwierig wird, auch wenn Fehler passieren. Und genau das ist passiert. Ein Fehler.

An unseren Kürbisfiguren, die aktuell auf unseren Höfen aufgebaut werden, hängen portugiesische Kürbisse. Wie ist es dazu gekommen? Warum importieren wir überhaupt Kürbisse? Wir stehen Rede und Antwort.

Für den Detailhandel

Ja, Jucker Farm importiert Kürbis aus dem Ausland – und das schon seit Jahren. Unter anderem aus Portugal. Ein wichtiger Grund ist die Partnerschaft mit dem Detailhandel.

Detailhändler bauen nicht selbst Gemüse an oder importieren es, sondern arbeiten mit Partnern zusammen. Wir sind so ein Partner. Und zwar im Bereich Kürbis, da dies unsere Kernkompetenz ist. Als Partner stellen wir sicher, dass der Detailhandel Kürbis hat, wenn der Detailhandel Kürbis will. Zuerst werden Kürbisse aus Eigenanbau verkauft, dann solche aus «fremder» Schweizer Produktion. Wir fungieren hier auch als Partner für andere Schweizer Betriebe, denn die Anlieferung an einen grossen Händler ist v.a. für Kleinbetriebe umständlich. Da die Nachfrage aber mit Schweizer Kürbis meist nicht vollständig gedeckt werden kann, greifen wir zum Schluss auf ausländische Kürbisse zurück. So können wir sicherstellen, dass zuerst Schweizer Kürbisse zum Zug kommen! Und schlussendlich; wenn wir’s nicht machen, macht’s ein anderer.

Importkürbisse werden entsprechend deklariert – dann steht manchmal «Importiert von Jucker Farm» auf der Etikette, aber auch, aus welchem Land die Kürbisse kommen. Nicht zu verwechseln mit jenen Kürbissen von unseren Feldern, die mit unserem Logo gelabelt werden.

Aber warum hängen portugiesische Kürbisse jetzt an unseren Figuren?

Die Kürbisfiguren werden immer im August aufgebaut, damit wir ready sind für die Kürbissaison.

Diese portugiesischen Behängkürbisse hängen dieses Jahr an unseren Figuren...

Klimatische Unsicherheiten

Die Überlegungen sind aus wirtschaftlicher Sicht valide: Die klimatischen Bedingungen ändern sich zurzeit stark. Letztes Jahr haben uns der Regen und der kalte Sommer fast die ganze Kürbisernte zerstört Bilanz Kürbissaison 2021). Dieses Jahr war es zu heiss und zu trocken, plus fiel ein grosses Kürbisfeld praktisch komplett dem Hagel zum Opfer (Verdammt trocken). Von daher ist die Überlegung, die Kürbisproduktion örtlich zu diversifizieren grundsätzlich nicht verkehrt. Schlussendlich geht es auch um Arbeitsplätze…

Die Kürbissaison mit der dazugehörigen Kürbisausstellung ist unsere stärkste Saison. Hier holen wir 1/3 des Jahresumsatzes rein. Überrascht? Ist aber Tatsache. Wenn wir also partout nur hofeigene Kürbisse für die Saison verwenden möchten, dann im Extremfall einen kompletten Ernteausfall hätten, würde die Kürbisausstellung ins Wasser fallen. Dann könnten wir den Laden überspitzt gesagt auch gleich schliessen. Besonders jetzt, nach zwei Jahren Corona und anhaltenden Unsicherheiten bezüglich weiteren Lockdowns im Winter, ist eine erfolgreiche Kürbissaison für unser Unternehmen essenziell.

Damit wir rechtzeitig bereit sind, mit der Kürbissaison zu starten, braucht es früh genug sogenannte «Behängekürbisse». Eine Methode ist der verfrühte Anbau. Das bedeutet: Die Kürbisse werden nicht gesät, sondern zuerst in Töpfchen aufgezogen, dann eingepflanzt. So sind sie früher reif. Diese Methode funktioniert, ist jedoch aufwändig (personell und finanziell),stark vom Wetter abhängig und entsprechend risikobehaftet. Wenn es hagelt, hilft alles Verfrühen nichts.

«Kürbisse wurden als Sicherheitspuffer importiert, um klimatische Unsicherheiten abzufedern.»

Wie erwähnt, war letztes Jahr ein sehr schwieriges Jahr für den hiesigen Kürbisanbau. Um also sicherzustellen, dass man dieses Jahr früh genug aufbauen kann, wurden Kürbisse aus dem Ausland bestellt. Als Sicherheitspuffer sozusagen – und die hängen nun an den Figuren. Das ist aber alles – der Rest der Kürbisse z.B. in den Hofläden oder die Kürbisse, die um die Figuren drapiert werden, sind aus 100% Schweizer Produktion, frisch vom Feld ins Regal!

Die Überlegungen also, wie es zu «Portugal-Gate» kam, sind aus wirtschaftlicher Sicht durchaus legitim. Aber unsere Kundinnen und Kunden gehen davon aus, dass sie Jucker-Kürbisse sehen, wenn sie unsere Kürbisausstellung besuchen. Jucker Farm steht für regionale und nachhaltige landwirtschaftliche Produktion. Und gegen diesen Wert haben wir mit dieser Aktion verstossen. Vor allem auch, weil wir es nicht kommuniziert haben.

Und in Zukunft?

Das Ziel ist nach wie vor klar: Auf unseren Höfen haben hofeigene Kürbisse Priorität 1! Sie werden an Kürbisfiguren gehängt, im Restaurant oder in der Manufaktur verarbeitet und im Hofladen verkauft. Wir liefern Kürbis an den Detailhandel – aus eigener oder Schweizer Produktion und erst dann wird mit importiertem Kürbis weitergearbeitet. Dies wird dann aber entsprechend deklariert.

Falls wir dieses Ziel wegen Ernteausfällen oder anderen Gründen nicht erreichen können, kommunizieren wir das künftig frühzeitig, offen und transparent. Das versprechen wir. Und entschuldigen uns, dass uns das dieses Jahr nicht gelungen ist.

Zudem hat die ganze Sache intern intensive Diskussionen ausgelöst. Wir werden in den nächsten Wochen und Monaten unsere Prozesse, Abläufe, Kommunikationswege etc. hinterfragen und verbessern. Wir versuchen eine aktive Fehlerkultur zu leben, in dem wir nicht Schuldige suchen, sondern Lösungen. Aber wer Mist baut, muss ihn auch garettlen oder in diesem Fall kommunizieren.

Trotz allem - wir freuen uns riesig auf die Kürbissaison 2022. Die Figuren stehen, die Kürbisernte ist in Fahrt und das Wetter wechselt langsam von sommerlich heiss zu angenehm herbstlich... Per Anfang September geht die Kürbisausstellung zum Thema FEUER so richtig los!

 

Uns würde auch noch eure Meinung interessieren zum "Portugal-Gate"! Habt ihr Fragen? Anregungen? Schreibt’s in die Kommentare oder kontaktiert uns via Twitter, Instagram, etc.

Nadine kam von der Bank zum Bauernhof. Sie ist seit 2016 Marketing- und Kommunikationschefin bei Jucker Farm. Ihre Spezialität ist die digitale Kommunikation. Neben Ihrem Job reist sie leidenschaftlich gerne (Zum Portrait).

Beiträge von Nadine
10 Kommentare zu “Wie konnte das passieren?”
    Marina

    Ich liebe euren Hof seit eh und je. Dass ihr so ehrlich kommuniziert und alles erklärt, macht euch einfach noch sympathischer. Vielen Dank und bis bald :)

    Antworten
    Nadine Gloor

    Aw, danke vielmals!!

    Antworten
    Ruth Freiermuth

    Danke für die ehrliche Kommunikation! Wichtiger als die Frage woher die Kürbisse kommen, scheint mir die Frage was mit ihnen passiert, wenn die tolle Ausstellung endet. Werden sie zu Foodwaste oder in eurer Manufaktur zu etwas feinem verarbeitet? Viel Erfolg!

    Antworten
    Valérie Sauter

    Liebe Ruth, die meisten von ihnen hingen so lange an den Figuren, dass sie als Lebensmittel wohl nicht mehr taugen würden und kommen in die Biogasanlage oder als Dünger wieder aufs Feld.

    Antworten
    Christine

    Ich wünschte mir mehr solcher Geschichten zu hören, von mehr Produzenten. Nur so lernen wir und verstehen langsam was es bedeutet unsere Hofladen oder Supermarktregale immer gefüllt zu halten!

    Antworten
    Nadine Gloor

    Danke für deinen Kommentar! Und ja, ist so - wir sind uns sehr gewohnt an volle Regale und die wenigsten von uns hinterfragen, wie die denn gefüllt wurden...

    Antworten
    Michael H. aus Deutschland

    Macht weiter so mit eurer Transperenz und Ehrlichkeites kann nur Gut tun sowas.
    Meine Frau und Ich freuen uns schon auf Sep./Okt. euch wieder Besuchen zu können.

    Antworten
    Nadine Gloor

    Danke vielmals lieber Michael!! Freuen uns schon auf euren Besuch!

    Antworten
    Gabriela Burger

    Gute Reaktion!
    Leider gibt es immer Neider, die nur darauf warten mit so einer „Entdeckung „ an die Öffentlichkeit zu gehen.
    Macht weiter so mit euren Hofläden und den regionalen Angeboten.

    Antworten
    Nadine Gloor

    Vielen lieben Dank für den netten Kommentar!

    Antworten

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