Spargelhof in der Bredouille
Der Spargelhof hatte es nicht leicht in den letzten Jahren. Immer wieder war er wegen Bauarbeiten nur schlecht zu erreichen. Vor wenigen Jahren war die Rüdlingerstrasse bereits einmal komplett gesperrt. Und nun ist seit August letzten Jahres die für den Spargelhof wichtigste Zufahrt – die Abfahrt von der aus der Richtung Eglisau kommenden Kantonsstrasse – gesperrt. Spargelhof-Leiter Beni Keil macht die Situation zu schaffen:
«Die Zufahrt zu unserem Hof ist nun bereits seit 8 Monaten massiv erschwert und diese Einschränkung soll noch bis August 2023 anhalten. Seit über einem halben Jahr müssen unsere Hofladenkund*innen eine Umfahrung in Kauf nehmen. Die Einschränkung hat die gesamte Kürbiszeit betroffen und wird uns auch diesen Frühling während der wichtigen Spargelsaison einschränken. Die Umsatzeinbussen, die wir durch die aktuelle Baustelle erlitten haben, bewegen sich bisher im Bereich von rund 45 %», erklärt Benjamin Keil. Diese Zahl dürfte sich eher noch erhöhen, da die für den Umsatz so wichtige Spargelsaison vor der Tür steht. Man habe diesen Winter jeweils für 2 Tage die Woche den Laden ganz schliessen müssen, um Kosten einzusparen.
Noch eine Sperrung
Doch die ohnehin belastende Situation wird sich in nächster Zeit nur noch verschärfen. Denn eine weitere Sperrung soll her: Von Juli – September 2023 wird die Schaffhauserstrasse von Eglisau bis zur Deutschen Grenze komplett gesperrt werden (Tiefbauamt Kanton Zürich). Die eine Einschränkung geht also nahtlos in die nächste über.
Der Grund für die erneute Einschränkung: «Die gesamte Fahrbahnoberfläche der Schaffhauserstrasse weist auf der vier Kilometer langen Strecke zwischen Tierligraben und der Landesgrenze Risse und Spurrinnen auf. Auch die unteren Belagsschichten und die Fundation der Strasse müssen ersetzt werden», heisst es auf der Seite des Tiefbauamtes.
Der PW-Verkehr Richtung Deutschland soll über den Deutschen Ort Nack (D) umgeleitet werden. Der LKW-Verkehr aus dem Rafzerfeld in Richtung Schaffhausen wird über Flaach nach Andelfingen geleitet. Das heisst für den Spargelhof einmal mehr: Seine Zufahrt wird massiv verkompliziert. In den angekündigten 3 Monaten wird der Spargelhof nur noch über einen Extra-Abstecher erreicht werden können. Die Durchgangsverkehrs-Kunden werden wohl mehrheitlich wegfallen, befürchtet Keil.
Diese zusätzliche Einschränkung nach dem ohnehin schon schwierigen Jahr ist für ihn sehr schmerzhaft, aber verkraftbar. Viel mehr Bauchschmerzen macht ihm die angekündigte Sanierung der Ortsdurchfahrt Eglisau…
Dauerhafte Gubrist-Zustände im Rafzerfeld
Vor Kurzem wurde nämlich obendrauf bekanntgegeben, dass ab 2026 während 3 Jahren die gesamte Ortsdurchfahrt in Eglisau saniert werden soll. Die Durchfahrt wäre zwar jederzeit möglich, jedoch wäre mit täglich 1-2 Stunden Stau zu rechnen. Insbesondere der Verkehr von Rafz in Richtung Bülach wäre eingeschränkt. Ein Ampelsystem und Durchfahrtstempo 30 km/h sollen die Situation regulieren.
«Die geplante Umleitungsroute ist an die 20 km lang (...) das würde unseren Betrieb faktisch lahmlegen»
Beni Keil, Hofleiter Spargelhof Rafz
Für einen Betrieb wie den Spargelhof ein massives Hindernis. Keil dazu: «Der Spargelhof ist die Logistikzentrale der Jucker Farm AG, wir beliefern vom Rafzerfeld aus täglich unsere eigenen Höfe, sowie unsere externen Kunden. Mit dieser Baustelle rechnen wir mit Verzögerungen von bis zu 1 h pro Fahrt. Das würde unser operatives Geschäft praktisch komplett ausbooten. Längere Lieferzeiten und somit höhere Personalkosten, Probleme mit Arbeitszeitüberschreitungen, ein höherer Treibstoffverbrauch und eine massive Beeinträchtigung der landwirtschaftlichen Abläufe wären die Folge. Wir fahren mehrmals täglich im Rafzerfeld hin und her, um unsere Felder zu bestellen. Die geplante Baustelle wäre eine unzumutbare Beeinträchtigung der gesamten Produktion und Logistik der Jucker Farm AG. Die geplante Umleitungsroute ist an die 20 km lang und führt über eine Bergstrasse. Das ist für uns schlicht nicht praktikabel. Das würde unseren Betrieb faktisch lahmlegen», sagt er.
Massive Behinderungen für den Betrieb
Die Umleitungsroute würde zwar am Spargelhof vorbeiführen, was bezüglich Frequenz auch ein Vorteil sein könnte. Doch Keil sieht das eher als Problem denn als Chance: «Die Ein- und Ausfahrt zum Hof wäre durch den Stau und das erhöhte Verkehrsaufkommen erschwert und zudem gefährlich. Wer im Stau steht und dringend wo hin möchte, hat doch keine Nerven, noch kurz anzuhalten, um im Hofladen was zu kaufen». Der Grossteil der Leute würde das Rafzerfeld wegen der Gubrist-artigen Zustände wohl ohnehin grossräumig umfahren, meint er.
Die Ampeln und die Reduktion des Durchfahrtstempos auf 30 km/h sollen aber auch nach der Bauphase bleiben und somit auch der Stau. Ein rasches Durchkommen durch Eglisau wäre bis auf unbekannte Zeit nicht mehr möglich, so seine Befürchtung. Die längerfristig anfallenden Mehrkosten wären nicht kalkulierbar. Die geplante Sanierung der Ortsdurchfahrt Eglisau ist für den Betriebsleiter also das perfekte Horrorszenario.
Eine begrenzte Bauzeit wäre nicht das Thema – sagt er – aber die Aussicht auf eine dauerhaft unbefriedigende Situation ist für ihn untragbar. «Es haben bereits Mitarbeitende angekündigt, dass sie – wenn diese Baustelle wirklich kommt – unseren Betrieb verlassen werden, weil der Anfahrtsweg zu ihrem Arbeitsplatz derart mühsam wird. Für mich als Betriebsleiter eine nicht nur unangenehme, sondern existenziell bedrohliche Situation. In Zeiten des Fachkräftemangels ist es ohnehin schon schwierig, gute Leute zu bekommen», so Keil.
Was denn sonst?
Bleibt die Frage: Was wäre denn sonst die Lösung? Hier hat Beni Keil eine klare Meinung – wie übrigens eine breite Allianz von Gewerbe und Parteien aus der Umgebung: Am besten wäre es, die ins Auge gefasste Umfahrungsstrasse mit Brücke über Rhein endlich voranzutreiben.
Doch wann und ob diese wirklich realisiert werden kann, ist höchst ungewiss. Im Weg stehen Naturschutzvorschriften, die nur via Bundesgerichtsurteil gekippt werden können (Tagi-Artikel). Bis diese umgesetzt wäre, würde es über 10 Jahre dauern, wie es im Tele Züri-Beitrag vom 17. Februar 2023 heisst. Eine Zeit, die die bestehende Infrastruktur jedoch nicht mehr so lange mitmachen würde, wie der Gemeindepräsident von Eglisau im Beitrag erläutert.
Die Zeit drängt, die Infrastruktur ächzt. Es ist eine unangenehme Pattsituation für alle Beteiligten.
Noch nicht aller Tage Abend
Und trotzdem: Gross war die Empörung, als das Vorhaben der Sanierung der Ortsdurchfahrt im Januar publik wurde. Es sind gleich drei politische Anfragen zu dem Anliegen beim Zürcher Kantonsrat eingegangen, deren Beantwortung vom Regierungsrat derzeit noch hängig sind:
- Brückensanierung Eglisau: Auswirkungen auf Bevölkerung und Gewerbe
- Brückensanierung Eglisau: Einbezug der Interessensgruppen
- Vorwärts machen mit Umfahrung statt Geldverschleuderung, Schädigung des Gewerbes und Stauverschlechterung (zh.ch)
Vielleicht, so hofft Keil, rücken diese Anfragen die geplante Sanierung in Perspektive und man geht hier nochmal über die Bücher. Denn für Beni Keil und den Spargelhof, sowie auch für viele andere Gewerbetreibende aus dem Rafzerfeld geht es hier nicht einfach nur um eine unbequeme Situation, sondern um die betriebliche Weiterexistenz.
Noch keine Kommentare zu “Spargelhof in der Bredouille”