Fremdgehen “Chez Mamie”
Wir haben ja schon viele eigene Ideen. Das heisst aber nicht, dass wir nicht regelmässig über den Tellerrand schauen und uns von anderen Betrieben inspirieren lassen. Kürzlich auf Instagram über den Weg gelaufen ist uns ein kleines charmantes Lädeli am Schaffhauserplatz in Zürich.
Warum wir da vorbeigehen? Weil die ein total tolles Konzept fahren, von dem wir für unsere Hofläden gerne was abgucken wollen: Zero Waste.
ALLES WAS DAS HERZ BEGEHRT
«Chez Mamie» klingt nach hausgemachter Erdbeermarmelade. Ist es fast. Der Laden hat sich zum Ziel gesetzt, nur unverpackte Lebensmittel und wiederverwendbare Haushaltsgegenstände zu verkaufen. An der Wand hängt eine ganze Reihe von Warenspendern, gefüllt mit Müsli, Getreide und Rohzucker-Variationen. Auf zwei Tischen in der Raummitte noch mehr Behälter mit Schokolade-Münzen zum Einschmelzen, Cookies und allen erdenklichen Dörrfrüchten. Fast alles aus Bioproduktion, wenn immer möglich aus der Nähe.
In der Non-Food-Ecke: Argan-, Mandel-, Kokos- und Jojobaöl zum Selberabfüllen, Shampoo in Seifenform, wiederverwendbare Abschminkpads und weitere Sensationen wie biologisch abbaubare Zahnbürsten und abwaschbare Sandwichtücher aus Bienenwachs.
Das System: Der Kunde bringt seine Behälter selber mit, wiegt das Tara-Gewicht vorgängig auf der Waage, damit das später vom Gesamtgewicht abgezogen werden kann. Dann befüllt man seine Behälter mit dem gewünschten Produkt, und zwar soviel man will. Was den gleichen Preis hat, kann gemischt werden. Wer nichts dabei hat, kann ein Glas oder einen Baumwollbeutel kaufen, oder – wenn man Glück hat – ein altes Confi- oder Einmachglas abfüllen. Hier nimmt «Chez Mamie» sehr gerne noch alte Gläser entgegen. Wer also alte Configläser hat, darf die gerne vorbeibringen.
GESCHICHTE UND PHILOSOPHIE
Dea, Anne, Gaby und Patrick sind vier Umweltnaturwissenschaftler*Innen an der ETH. Angefangen hat alles mit einer Podiumsdiskussion. Zu Gast: Die Zero-Waste-Pionierin Béa Johnson. Die 5 Prinzipien der Zero-Waste-Philosophie:
Refuse
Ablehnen, was man nicht braucht
Reduce
Von dem, was man braucht, weniger konsumieren
Reuse
Möglichst wiederverwendbare Produkte brauchen
Recycle
Das was dann noch übrigbleibt, recyceln
Rot
Dann sollte nur noch Kompost übrigbleiben
Béa Johnson hat es so geschafft, die gesamte Abfallmenge ihrer vierköpfigen Familie auf 1 Einmachglas pro Jahr zu reduzieren.
Das «Chez Mamie Zürich»-Team hat angefangen, im Büro darauf zu achten, weniger Abfall zu produzieren. «Die Putzfrau zum Beispiel», erzählt uns Anne, «hat jede Woche den Mülleimer geleert und einen neuen Plastiksack reingetan, auch wenn da nur ein kleines Etwas darin gelegen hat. Vorschriften! Wir haben den Mülleimer irgendwann versteckt. Jeder von uns hat einen Teller und Besteck hier, damit gehen wir dann zur Kantine oder zu einem Restaurant ganz in der Nähe. Sie gibt uns 1 Franken Rabatt, wenn wir mit dem eigenen Teller kommen. Nun kommen immer mehr Leute mit ihrem eigenen Teller. Der Sustainability-Newsletter der ETH kam bis vor Kurzem auch in laminierter Form. Wir fanden, dass es das einfach nicht sein kann.»
Sie wollten einen Schritt weitergehen und stiessen bei der Recherche auf den Gründer von «Chez Mamie». Der Original-Ladensteht in Sion (VS). Es gibt ihn seit Frühling 2016. Die Idee war von Anfang an, eine Ladenkette im Franchise-System aufzubauen. Dass es so schnell gehen würde, hätte wohl niemand gedacht. Innerhalb eines knappen Jahres sind 7 Läden wie Pilze aus dem Boden geschossen. 2 weitere stehen kurz vor der Eröffnung.
DAS WOLLEN WIR AUCH
Wir sind beeindruckt. Denn in unserem Hofladen sind wir immer wieder mit solchen Fragen beschäftigt. Eigentlich haben wir uns auch zum Ziel gesetzt, möglichst keine Verpackung für unsere Produkte zu brauchen. Allzu oft haben wir es dann aber doch nicht geschafft, eine komplett abfallfreie Lösung umzusetzen. Zu oft gab es Hygienevorschriften oder kantonale Vorgaben beim Lebensmittelverkauf, die es uns verunmöglicht haben.
Punktuell hat es geklappt, zum Beispiel mit unseren Gemüsesäckli aus altem Käserei-Stoff oder den Brotsäcken.
Auch die Frage nach der Massentauglichkeit macht uns regelmässig einen Strich durch die Rechnung. Denn bei uns müssen an manchen Tagen tatsächlich ganz andere Mengen bewältigt werden, als es in dem hübschen Quartierlädeli der Fall ist. Trotzdem, wollen wir uns an «Chez Mamie» ein Vorbild nehmen. Der Besuch am Schaffhauserplatz hat uns jedenfalls total motiviert. Wir bleiben dran!
Noch keine Kommentare zu “Fremdgehen “Chez Mamie””