Was keiner sieht…
Zur Jucker Farm AG gehören vier Höfe. Der Juckerhof in Seegräben, der Bächlihof in Jona, der Spargelhof in Rafz und der Römerhof in Kloten. Auf jedem Hof wird etwas anderes gemacht*. Und da wir eine Firma sind und eng zusammenarbeiten, hat es sich ergeben, dass sich eine betriebsinterne Logistik entwickelt hat. Und nicht nur deshalb. Wir liefern unsere Produkte wie zum Beispiel Spargel, Kürbisse, Beeren und Äpfel an diverse Partner in der Region Zürich direkt aus.
In diesem Beitrag zeigen wir euch auf, warum Pawel, Jarek, Lukasz, Slawomir, Kamil und Vasile um 4 Uhr morgens aufstehen müssen, damit überhaupt IRGENDETWAS auf den Höfen funktioniert. Nadine und ich haben die Rosstour einmal mitgemacht. Eindrücke kriegt ihr auch im Video am Artikelende…
Morgens früh um 5
Samstagmorgen 4.30: Pawel ist auf dem Spargelhof daran, die letzten Paletten in den Lastwagen zu packen. Heute haben wir den Lastwagen vom Puurehof im Rüedi, mit dem wir eine enge Betriebsgemeinschaft pflegen. Darin haben 10 Palett oder Grosskisten Platz. Im Logistik-Pool sind ausserdem noch ein eigener LKW, ein Bus und 2 Autoanhänger sowie ein kleiner Kastenwagen. Welches Gefährt mit auf die Tour kommt, wird jeweils kurzfristig entschieden.
Eigentlich sollten wir vom Kommunikationsteam ebenfalls schon vor Ort sein. Sind wir aber nicht, weil wir – man kann es nicht anders sagen - voll verpennt haben. Wir schaffen es auf 5 Uhr, kurz bevor Pawel losfahren will und kommen gerade noch dazu, den vollbepackten, wieder verschlossenen Lastwagen zu fotografieren.
Im Laderaum sind unter anderem diverse Kisten mit gerüsteten Kürbissen für die HofKüche in Seegräben, leere PET-Flaschen für die Hofläden in Seegräben und Jona, Gemüse und Obst für alle Hofläden und frischer Sauser von unserem Lieferanten in Wil ZH für beide Hofläden. Was geliefert wird, ist täglich unterschiedlich. Mal sind es mehr Getränke, mal viele Kürbisse.
Es wird nicht getrödelt
Es ist noch dunkel, als wir in Rafz losfahren. Der Verkehr hält sich bis jetzt in Grenzen. «Wir sind gut in der Zeit», sagt Pawel, der heute die Frühschicht übernimmt. Seine Tour endet samstags in der Regel ca. um 11 Uhr. Danach übernehmen seine Teamkollegen die Touren zu den Grossverteilern. «Am Samstag ist immer genug Zeit», meint Pawel. Manchmal habe man auch Stau, aber das gehöre zu seinem Job als Logistiker dazu. «1x pro Tag einen Unfall oder Stau anzutreffen, das ist normal», sagt Pawel.
"Mir laferet und de Pawel lieferet"
Erkenntnis N°1 der Autorin während der Tour
Trotzdem muss er sich beim Ein- und Ausladen beeilen. Während Nadine und ich uns bei (fast) jedem Halt einen Kaffee genehmigen, gibt er ordentlich Gas und trödelt nicht rum. Alles geht Schlag auf Schlag. Das sei so, weil er als Fahrer aus Sicherheitsgründen nur eine gewisse Zeit lang arbeiten darf. Seine Fahrten werden für externe Kontrollen von einem speziellen Fahrtenschreiber aufgezeichnet. Da wird sofort registriert, wenn er zu lange arbeitet, oder zu wenige Pausen macht. Das ist der limitierende Faktor: Die gesetzlich festgelegte Arbeitsdauer, in der alle Lieferungen erledigt sein müssen. Da werde die Zeit unter der Woche schon mal knapp. Da kann ein Stau darüber entscheiden, ob er die Schicht pünktlich abschliessen kann, oder nicht. Und das mit dem Stau sei nie gleich. «Manchmal hat es Stau, manchmal hat nicht».
Juckerhof Seegräben, 05:45
Die Putzfrau, der Hofarbeiter und die Bäcker sind auch bereits wach. Ebenso Marino von der Küche, der heute in Jona arbeitet und seinerseits am Packen ist, für alles, was er auf dem Bächlihof in der Küche braucht.
Wir befinden es für immer noch früh und Pawel lädt in einem Affenzahn den Laster aus. PET-Flaschen, Sauser, Früchte und Gemüse raus – viel sauberes Geschirr, restliche Sauserflaschen usw. rein.
Um 06:20 geht es bereits wieder los, Pawel hat keine Zeit für einen Kaffee. Die nächste Station ist der Volg in Grüt (Gossau ZH). Zehn Minuten später sind wir da. Leider haben Privatpersonen die Laderampe zuparkiert. Für Pawel heisst das, dass er die 6 IFCO-Kisten mit Äpfeln von Hand über die Strasse tragen muss. An 5 von 7 Tagen sei dies der Fall. Er hat aber keine Zeit, sich zu beschweren, sondern macht einfach. Gleich geht’s wieder los nach Jona.
Bächlihof Jona, 07:00
Mittlerweile wären wir wohl auch an einem normalen Bürotag aufgestanden. Müde sind wir trotzdem. Um 3:30 aufstehen zehrt. Noch ein Kaffee. Für uns. Nicht für Pawel. Der hat keine Zeit. Wieder lädt er aus: sauberes Geschirr, PET-Flaschen, Sauser und Gemüse und Früchte. Rein kommt: dreckiges Geschirr, leere Tonnen für Kürbiskerne, Leergut, Manufakturprodukte, Säcke mit unbekanntem Inhalt. Was das sei, frage ich ihn. Er weiss es nicht. «Ich nehme das mit, was angeschrieben ist», das ist Pawels Devise. Zeit, sich zu fragen, was drin ist, hat er nicht.
"Wir hätten mindestens das Brunch-Empfangstischli und die Paloxe mit Mikrowellenkürbissen umgefahren".
Erkenntnis N°2
Hier verbringen wir am meisten Zeit, da auch am meisten ein- und ausgeladen wird und weil die Wege vom Lager zum LKW-Standort länger sind. Kurzzeitig beginnt es unerwarteterweise zu regnen. Aber auch darüber regt sich Pawel nicht auf. Keine Zeit, vorwärtsmachen. Um 08:10 manövriert Pawel den Lastwagen wieder geschickt vom Hofplatz des Bächlihofs herunter. Nadine und ich schauen uns an: Wir hätten mindestens das Brunch-Empfangstischli und die Paloxe mit Mikrowellenkürbissen umgefahren.
Wieder geht es nach Seegräben.
Juckerhof Seegräben zum Zweiten, 08:35
Ausladen. Dreckiges Geschirr von Jona, das wir da nicht waschen können, Maischips, von Lieferanten aus der Region in Jona und Äpfel. Einladen: Leergut und leere Paletts.
Es ist ein einsamer Job, den Pawel hat. Auf den Höfen kommt er nur kurz mit den Leuten in Kontakt. Viel Zeit zum Reden hat er nicht. Dann muss er gleich wieder los. In Polen hat er eine Frau und 3 Kinder, eins davon ist erst anderthalb. Im Winter gehe er sie jeweils besuchen. Bis auf 1-2 weitere Wochen Ferien ist er praktisch ganze Jahr in der Schweiz.
Jetzt endlich nimmt sich Pawel kurz Zeit für einen Kaffee. Für uns ist es schon der Dritte an diesem Morgen. Wir haben uns schon frischer gefühlt. Um 09:35 sind wir wieder unterwegs. Jetzt geht es noch zum Römerhof. Und schon erwischen wir den obligaten Stau des Tages. Die Autobahn von Bülach ist in Richtung Flughafen wegen Bauarbeiten gesperrt. Und der ganze Verkehr vom Norden des Kantons fährt genau durch den Kreisel, den wir passieren müssen, wenn wir zum Römerhof wollen. Gute 20 Minuten kostet uns das.
Römerhof Kloten, 10:30
Leere Paloxen und IFCOs werden hier ausgeladen, Pawel nimmt wieder von den leeren PET-Flaschen mit, die in Kloten gelagert werden. Nach nur knapp 15 Minuten geht es wieder los nach Rafz. Letzte Station.
Pawel’s Job findet komplett hinter den Kulissen statt. Von der Schönheit der Höfe und dem ganzen Brimborium kriegt er nicht viel mit. Er muss hinter den Kulissen liefern. Um es zugespitzt in Züridütsch zu sagen: «Mir laferet, und de Pawel lieferet». Und Reaktionen kriegt er nur, wenn etwas nicht funktioniert.
Geht mal etwas vergessen, kann das verheerende Auswirkungen haben. Dann gibt es vielleicht keine sauberen Löffel mehr in Jona, oder die Kürbisse, die die Küche dringend für ein Event-Menu braucht, sind statt in Jona in Seegräben gelandet.
Wir denken, er und seine Kollegen haben einen Haufen Wertschätzung verdient dafür, was sie jeden Tag leisten. Die Jungs sind einem enormen Zeitdruck ausgesetzt, müssen rasch und doch genau arbeiten.
Spargelhof 11:11. Wir sind fix und foxy und wollen nur noch eins: Schlafen gehen. Pawel sagt, er sei noch nicht müde, er geht jetzt Zmittag essen…
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Was wird auf welchem Hof denn gemacht?
Kürbisse produzieren wir nicht auf allen Höfen, dafür hätten wir gar keinen Platz. Das ist nur in Rafz der Fall. Zudem werden hier viele unserer Rohprodukte für die Küche und die Manufaktur vorgerüstet. Oder Lagerplatz ist auf dem Römerhof und auf dem Spargelhof in Rafz viel reichlicher vorhanden, als in Seegräben. Die HofManufaktur steht in Jona und das Geschirr abwaschen können wir nur auf dem Juckerhof in Seegräben. Und so werden unterschiedliche Produkte zwischen unseren Standorten hin und hertransportiert.
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Da wird aber viel hin- und hergefahren!
Klar: Ideal wäre es, an allen Standorten die gesamte Infrastruktur und Produktion zu haben, dann wären die Wege unserer Produkte optimal kurz. Nur ist das alleine aus Platzgründen nicht möglich. Zudem hätte man 3x den Aufwand für die Lagerverwaltung. Wir haben gemerkt, dass es für uns viel effizienter ist, alles zentral planen zu können. Und die Fahrten finden ohnehin statt.
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