Frauen in der Landwirtschaft – Teil 3
Vereinbarkeit ist momentan ein vieldiskutiertes Thema für Frauen, die Kinder haben, oder vielleicht noch welche kriegen wollen.
Will ich arbeiten? Wenn ja, wie viel? Und wie kriege ich alles unter einen Hut? Wie organisiere ich die Kinderbetreuung?
Auf dem Land ist das nicht anders. Auch Bäuerinnen und Landwirtinnen sind mit diesen Fragen konfrontiert, denn auch in der Landwirtschaft hat sich die Gesellschaft gewandelt. Ein immer grösser werdender Teil der Bäuerinnen geht einer bezahlten Arbeit ausserhalb des eigenen Bauernhofs nach. Fast alle Bäuerinnen sind Quereinsteigerinnen und haben zuerst eine andere Ausbildung abgeschlossen. Die modernen Bäuerinnen haben also einen eigenen beruflichen Hintergrund, den sie in vielen Fällen nicht mehr zu Gunsten des Bauernhofs ganz aufgeben.
Die Gründe dafür, warum die Bäuerinnen (meist in kleinen Pensen) ausserhalb arbeiten, sind unterschiedlich. Manche sind aus finanziellen Gründen darauf angewiesen, bei anderen ist es der Wunsch «einfach noch etwas Eigenes» zu haben, oder beides. Darin unterscheiden sie sich keineswegs von allen anderen berufstätigen Frauen.
Die Kinder laufen einfach mit
Und doch ist die Vereinbarkeits-Thematik nicht ganz die Gleiche wie für den Rest der Gesellschaft. Die meisten der Bäuerinnen, die wir in Teil 2 vorgestellt haben, empfinden die Vereinbarkeit von Beruf und Familie als einfacher. Zum einen, weil sich die Kinder bei den Tätigkeiten auf dem Hof besser mitnehmen lassen, zum anderen, weil sie noch öfter soziale Strukturen haben, die eine Berufstätigkeit ausserhalb unterstützen. Sprich: Es sind Grosseltern oder Nachbarn da, die sowieso auf dem Hof mithelfen, die sich mal kurz um die Kinder kümmern können, wenn etwas ansteht, was man besser ohne Kinder erledigt.
«Ich bin auch ohne zusätzliche Kinderbetreuung aufgewachsen. Das geht auf dem Bauernhof fast besser. Es gibt halt keinen Verkehr. Beim Heuen haben uns die Eltern einfach mit einer Decke und Picknick auf die Wiese gesetzt», erzählt Erika über ihre Kindheit. Bei Kristina aus dem Züri Oberland klingt es ähnlich: «Wir haben die Kinder einfach mitgenommen. Wenn du auswärts arbeitest, musst du halt jemanden haben, der schaut. Es ist schon ein Vorteil, wenn ein Grosi oder der Grosspapi da ist. Man kann die Kinder sicher auch mehr einbinden in die Arbeit und du hast generell mehr Raum.»
Man müsse aber aufpassen, dass man sich trotzdem bewusst Inseln mit den Kindern schaffe. Denn wenn sie zu sehr «nebenherlaufen», leide manchmal die Qualität der gemeinsamen Zeit, gibt Bettina, 41-jährige Bäuerin aus dem Toggenburg, zu bedenken.
Unterschied zu Dienstleistungsberufen
Dass man die Kinder zur Arbeit einfach mitnehmen kann, das scheint bei den Bauern anders zu sein als in den meisten Dienstleistungsberufen. Wir, die wir im Büro, an der Kasse, im Restaurant oder im Krankenhaus arbeiten, bewegen uns in auf maximale Effizienz getrimmte, vom Privatleben isolierten Enklaven der Produktivität, in denen Kinder und ihr Chaos der geforderten Effizienz nur im Wege stünden. Diese Trennung findet auf dem Bauernhof weniger statt. Man hat die Kinder schon immer mitgenommen und das läuft auch heute noch so.
Sobald es allerdings um die Vereinbarkeit mit einer Tätigkeit ausserhalb des Bauernhofs geht, stehen die Bäuerinnen vor den genau gleichen Herausforderungen wie alle anderen Eltern mit Kindern. Denn: Wenn das Grosi fehlt, wird’s schwierig. Die meisten Kinderkrippen sind nicht sehr flexibel, sobald man unregelmässig arbeitet, und wenn die Kinder krank sind, steht man wie der Esel am Berg.
Und auch wenn sich die Arbeit auf dem Hof gut mit dem Kinderhaben vereinbaren lässt: Die ständige räumliche Nähe kann auch zu viel des Guten werden. Die Studie zu den Frauen in der Landwirtschaft, die wir bereits in Teil 1 zitierten, kommt zu folgendem Schluss: «Nebst den Vorteilen, den Beruf mit der Familie vereinbaren zu können, wird diese Nähe von Arbeits- und Privatraum in gewissen Situationen als belastend empfunden.»
Höherer Workload
Und bei den Bauern ist der Spagat oft anstrengender. Dies aus dem einfachen Grund, weil der Workload auf dem Bauernhof einfach um ein Vielfaches grösser ist. Diese Bäuerinnen arbeiten dann eben mehr als 100 %. Sie haben neben Kinderbetreuung und Haushalt noch viele andere Aufgaben auf dem Hof, die viel Einsatz erfordern. Und dieser Einsatz ist wetterabhängig und nicht immer planbar, was die Vereinbarkeit mit fixen Dienstplänen wiederum erschwert. «Streng ist dann, um 2 Uhr von der Schicht heimzukommen und um 5 Uhr für den Hof wieder aufzustehen», sagt Bettina, die ausser ihrer Tätigkeit auf dem Hof noch 30 % auf dem Kindernotfall arbeitet.
Vereinbarkeit bei Landwirtinnen
Bei den Landwirtinnen, die als Unternehmerinnen die alleinige Verantwortung über den Betrieb haben, erhält das Wort Vereinbarkeit nochmal eine ganz andere Bedeutung. Denn wie stellt man sicher, dass der Betrieb weiter läuft, wenn man gerade im Wochenbett ist?
Es gibt den Maschinenring, der Leute auf Abruf für kurzfristige Einsätze vermittelt, aber auf dem Bauernhof ist eine rasche Einarbeitung nicht immer möglich und braucht Zeit. Marina erzählt von einem befreundeten Paar: «Ich kenne ein Paar, wo sie Landwirtin ist. Er hat sonst einen Job. Das gibt’s heute auch mehr. Aber bei ihnen ist das jetzt schon ein Thema: Im Hinblick aufs Kinderhaben haben sie jetzt von Milchwirtschaft auf Mutterkuhhaltung umgestellt, weil das zeitlich flexibler ist. Sobald Kinder im Spiel sind, wird es schwierig. Das ist aber für alle Unternehmerinnen ein Thema. Bei einem Bauernhof kannst du nicht einfach husch-husch einen Ersatz finden, der die Tiere und alles kennt.»
Fazit: Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist auf dem Bauernhof einfacher und schwieriger zugleich.
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