Bauer auf Umwegen
Dass Benjamin Keil heute einen Bauernhof leitet, hat er sich zwar immer gewünscht, aber niemals träumen lassen. Aufgewachsen in Lottstetten (DE), nahe der Schweizer Grenze hat er in seiner Kindheit regelmässig auf einem Bauernhof gearbeitet. «Ich wollte eigentlich Bauer werden, aber meine Eltern haben mir das ausgeredet», erzählt er. So hat er schliesslich das KV auf einer Gemeindeverwaltung gemacht.
Dann gings ins Militär zum Grundwehrdienst und anschliessend für 7 Monate mit der NATO nach Sarajevo zum Auslandeinsatz. Nach der Zeit bei der Bundeswehr wechselte er in den Verkauf, so wie es auch sein Vater gemacht hatte. «Mein Vater war für mich ein berufliches Vorbild. Seine Arbeit hat mich fasziniert, das wollte ich auch machen. Für eine Behörde in einem Büro zu sitzen – das hätte ich mir nicht vorstellen können». 7 Jahre lang hat er danach «Klinken geputzt» - wie er es ausdrückt. Ein Knochenjob sei das gewesen. Aus dem Nichts neue Märkte aufbauen, immer das Umsatzziel im Nacken – das ist nicht jedermanns Sache. Aber eine gute Lebensschule sei das gewesen, meint er.
Berufsbegleitend hat er diverse Ausbildungen im Marketing und Verkauf gemacht und dadurch auch Spass am Marketing bekommen. Irgendwann landete er dann als Leiter Werbung bei der SBB in der Werbevermarktung.
Dann ist er Vater geworden. Von zwei Mädchen, die mittlerweile 4 und 7 Jahre alt sind. Und er hat angefangen, vieles zu hinterfragen: «Macht das Sinn, was ich hier mache?» - Diese Frage musste er für sich mit nein beantworten und so hat er eine neue Herausforderung gesucht und ist in die Lebensmittelbranche gewechselt. «Back to the roots», sozusagen. Essen produzieren und anfassen….
Ihr seht schon, sein Lebenslauf näherte sich immer mehr einem Betrieb wie Jucker Farm an. Doch wie es schlussendlich dazu kam, erfahrt ihr, wenn ihr weiterlest…
SEIT WANN ARBEITEST DU HIER?
Am 1. März habe ich offiziell angefangen. Das ist zwar erst 4 Monate her, es fühlt sich aber länger an.
Wie bist du zur Jucker Farm gekommen?
Nach meiner Zeit bei der SBB habe ich während 5 Jahren für eine deutsche Firma ein Startup in der Schweiz aufgebaut, das fixfertige Tiefkühlmenus für Firmen produzierte. Da konnte ich aber irgendwann aufgrund der Rohstoffherkunft nicht mehr dahinterstehen. Letzten November habe ich dann ins Blaue hinaus gekündigt. Ich wollte ein Produkt vermarkten, das ehrlich und glaubhaft ist und nicht auf einer tickenden Zeitbombe sitzen.
Ich hatte drei Angebote und schlussendlich war der Job hier ein Herzensentscheid: Jucker Farm war mir absolut ein Begriff. Ich hatte mit der Firma davor schon Seminare in Seegräben abgehalten. Für mich schliesst sich mit dem Stellenantritt hier ein Kreis. Es kommt einfach alles zusammen: Ich kann meine Kompetenzen und mein Fachwissen optimal verbinden mit meiner Leidenschaft: Gesunde Lebensmittel zu produzieren. Jetzt kann ich doch noch etwas ein «Bauer» sein, auch wenn das hier etwas anders ist als auf einem anderen Bauernhof. Und der Bezug zu Rafz war auch da, ich hatte davor schon einige Jahre in Rafz gelebt.
Den Entscheid, den Spargelhof zu übernehmen, habe ich noch keinen Tag bereut.
WAS IST DEIN JOB?
Als Spargelhof-Chef bin ich Manager in ganz vielen Disziplinen. Mein Job ist es, den Überblick über die Produktion, die Logistik, die Lagerhalle und den Hofladen zu haben. Zudem mache ich viel Beziehungsarbeit mit Kunden, Lieferanten und mit unseren Vertriebspartnern, aber auch mit unseren Direktkunden im Hofladen.
Die Herausforderung der ersten Monate war, dass ich von Beginn an Entscheide treffen musste, obwohl alles neu war für mich. Ich bin auch heute noch daran, mich einzuarbeiten, habe aber glücklicherweise den Support von super Leuten der unterschiedlichen Fachbereiche. Nicht zuletzt von Wälle Pfister, der den Spargelhof bis vor ein paar Jahren aufgebaut und damals die Jucker Farm AG mitgegründet hat.
Im Moment fliesst viel Energie in den Organisations- und Strukturaufbau: Prozesse definieren, niederschreiben und auch kommunizieren. Und nicht zuletzt ist viel Führungsarbeit mit den Menschen. Das steht eigentlich zuoberst: Ein Team zu formen, um die Verantwortung auf verschiedene Schultern abzustützen.
Ganz schön viel…
Ja, das ist es. Es ist ein täglicher Spagat zwischen Lernen und Umsetzen. Ich habe viel Respekt und Demut vor dem Job, diesen Hof zu führen.
Wo steht der Spargelhof in 5 Jahren?
Das Fundament meines Zielbilds bildet ein stabiles Team. Auf unserem Hof arbeiten in der Spitzenzeit zwischen 130 und 140 Leute. Ich möchte in der Produktion ein Kernteam aufbauen, das idealerweise über mehrere Jahre hinweg immer wieder zu uns kommt und umgekehrt diesen Leuten auch eine langfristige Perspektive im Unternehmen geben. Zudem bin ich dabei ein schlagkräftiges Führungsteam für alle Fachbereiche aufzubauen. Es sind Menschen, die hier die Leistung erbringen.
Ein weiteres Ziel ist es für mich, den Spargelhof innerhalb des ganzen Unternehmens klarer zu positionieren. Für viele Mitarbeitenden auf den anderen Standorten ist und war der Spargelhof so etwas wie ein unbekannter Aussensatellit. Der Produktionsort, der weit weg von allem ist. Dieses Image möchte ich überwinden.
Längerfristig geht es sicher darum, das Profil des Spargelhofs zu schärfen und das Angebot zu fokussieren. Unsere Kernkompetenzen sollen noch deutlicher herausgeschält werden. Ich möchte, dass wir uns zum Beispiel im Beerenbereich einen ähnlichen Namen machen wie beim Kürbis und bei den Spargeln.
Der Spargelhof soll ein rentabler Standort im Unternehmen sein, herausragende Produkte in stabiler Menge und Qualität produzieren und lokal optimal vernetzt sein. Wir wollen Vorreiter in unserer Vision der regenerativen Landwirtschaft werden und eines Tages vielleicht sogar unser aufgebautes Know-how anderen Betrieben anbieten.
WAS GEFÄLLT DIR HIER?
Für einen Vollblutverkäufer wie mich, ist die Marke Jucker Farm eigentlich ein Traum. Wir haben von der Urproduktion bis zum Endkunden alles in der Hand. Es ist ein Schulbuchbeispiel, weil ich alle Disziplinen bespielen kann. An Authentizität nicht zu übertreffen. Das findest du im Lebensmittelbereich sonst nirgends. Wunderschön.
Für mich als Hofleiter ist es wie ein Versuchslabor: Ich kann an allen Schrauben drehen, überall Mitgestalten. Und ich habe direkt das Gespräch mit den Endkunden und somit unmittelbares Feedback. Das macht so viel Spass und eröffnet tolle Möglichkeiten, Ideen auszuprobieren.
Aus meiner Sicht ist diese Art von Produktion und Direktvermarktung innerhalb der Lebensmittel- und Landwirtschaftsbranche zukunftsträchtig.
Hast du eine lustige Anekdote aus dem Arbeitsalltag, die du erzählen könntest?
Haha, wir haben sehr viele lustige Erlebnisse. Eigentlich jeden Tag. Hm.
Also hier eine eher schöne statt lustige Geschichte: Wir haben in der Nähe des Orts Rafz eine Beerenanlage und einen Nachbarn, den wir scheinbar über lange Zeit verärgert hatten. Letztens habe ich mit ihm das persönliche Gespräch gesucht, seine Anliegen entgegengenommen und mit unseren Leuten aus der Produktion geschaut, dass sie beispielsweise nicht mehr am Samstagmorgen um 6 Uhr Gras mähen. Vor Kurzem habe ich ihn dann nochmal angerufen, um zu fragen, ob alles ok sei und er war komplett zufrieden. Solche Erlebnisse machen einen einfach glücklich.
Was ist dein liebstes Jucker-Produkt?
Oh, die Chips in Kombination mit dem Knoblauch-Dipp. Ich serviere sie all meinen Gästen zum Apéro. Der Knoblauch-Dipp ist auch super als Brotaufstrich oder als Grillsauce.
WAS MACHST DU AM LIEBSTEN in deiner Freizeit?
Was ist das? 😉 Nein, Spass bei Seite, im Moment arbeite ich sicher zu viel. Aber wenn ich Freizeit habe, verbringe ich sie gerne mit meiner Familie. Wenn immer möglich fahren wir in unser Ferienhäuschen am Thunersee. Geniessen den See und tanken Energie.
Was für Zukunftsträume hast du?
Ich habe immer gesagt, wenn ich Mitte 50 bin, möchte ich meine Erfahrung weitergeben in Form von Coachings und Teambegleitungen. Das könnte ich mir gut vorstellen.
Wen sollen wir als nächstes vorstellen?
Unseren Spargelhof-HR-Chef Hadi.
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