Was ist Direktvermarktung?
Als ich angefangen habe hier zu arbeiten, hat mir das Wort Direktvermarktung erst mal nichts gesagt. «Was haben die nur alle mit dieser Direktvermarktung?», dachte ich, denn das Wort haben die Jucker-Brüder oft und gerne in den Mund genommen.
Es dauerte etwas, bis der Zwanziger fiel.
In der Landwirtschaft ist die Direktvermarktung tatsächlich ein Schlagwort, das heiss diskutiert wird. Warum ist das so?
Warum ist Direktvermarktung so wichtig?
Fangen wir von vorne an: Ein Landwirtschaftsbetrieb produziert Waren. Das ist sein Kerngeschäft. Doch diese Waren muss er auch verkaufen können. Denn kein Bauer in der Schweiz kann ausschliesslich durch Direktzahlungen existieren.
Der Milchbauer muss seine Milch verkaufen, der Viehzüchter seine Rinder, der Obstbauer seine Äpfel, der Ackerbauer seinen Weizen. Die meisten Bauern haben aber in der Regel selbst weder die Zeit noch die Infrastruktur, ihre Milch abzufüllen, die Rinder zu schlachten und das Fleisch zu verkaufen, oder ihren Weizen zu Mehl zu verarbeiten. Deshalb arbeiten sie mit Grossabnehmern zusammen.
Im Milchbereich ist das zum Beispiel Emmi, ein grosser Milchabnehmer, der den Bauern die paar Tausend Liter Milch pro Jahr abnimmt: Er kommt mit dem Milchlaster vorbei, kauft dem Bauern die Milch ab und gut ist. Der Bauer braucht sich nicht mehr um die Weiterverarbeitung zu kümmern.
«Der Preis, den der Bauer für diesen «Abnahmekomfort» bezahlt, ist aber relativ hoch».
Beim Getreide und beim Fleisch ist es ähnlich. Teilweise werden schon vor der Aussaat Verträge mit Labels oder Abnehmern wie Bio Suisse, IP Suisse oder der Fenaco abgeschlossen.
Das Getreide wird dann an die Getreidesammelstelle verkauft, von ihr dort gelagert und dann von den Abnehmern der Getreidesammelstelle wieder abgekauft.
Ähnlich läuft es beim Fleisch. Dort ist man allerdings noch stärker abhängig vom künftigen Abnehmer. Da Stallbauten ein teures Unterfangen sind, werden Abnahmeverträge bereits beim Bau abgeschlossen. Insbesondere bei der Pouletmast ist das stark ausgeprägt, zunehmend auch in der Schweinemast. Rinder werden direkt an grosse Fleischhändler oder an Metzgereien verkauft.
Beim Obst und Gemüse ist der Bauer meist direkt mit einem Detailhändler oder mit einer Mosterei im Geschäft. So oder so muss er sich nicht um die weitere Verarbeitung und den Verkauf kümmern.
Gut organisiert, schlecht entlöhnt
Der Preis, den der Bauer für diesen «Abnahmekomfort» bezahlt, ist aber relativ hoch. Er hat zwar den Vorteil, dass er sich nicht weiter um den Absatz seiner Produkte kümmern muss. Andererseits ist er auch stark abhängig von dieser Handelsbeziehung. Denn meist hat er nicht viele Alternativen, seine Produkte loszuwerden. Entsprechend hoch ist der Preisdruck, dem der Bauer ausgesetzt ist.
Manchmal sind die Preise, die Bauern für landwirtschaftliche Produkte erhalten, zu tief, um überhaupt die Produktionskosten decken zu können. Gerade bei der Milch ist das immer wieder ein Thema (siehe Artikel: Fairer Milchpreis). Oft können Milchbauern nur dank der Direktzahlungen als Betrieb überleben.
«Direktvermarktung heisst, dass landwirtschaftliche Produkte direkt an den Endverbraucher verkauft werden, statt den Umweg über einen Grosshändler zu nehmen.»
Lieber selber verkaufen
Deshalb würden an sich viele Bauern gerne ihre Produkte lieber direkt an den Mann oder an die Frau bringen. Hiermit wären wir auch bei der Erklärung des Worts Direktvermarktung angelangt:
Direktvermarktung heisst, dass landwirtschaftliche Produkte direkt an den Endverbraucher verkauft werden, statt den Umweg über einen Grosshändler zu nehmen.
Für den Bauern wäre das deshalb spannend, weil er den gesamten Verkaufspreis für sich einstreichen kann. Er würde also endlich fair entlöhnt und könnte seine Produkte vielleicht sogar zu einem günstigeren Verkaufspreis verkaufen als der Detailhändler.
Viele Bauern tun das oder zumindest teilweise. Gemäss Website des Schweizer Bauernverbands betrieben im Jahr 2020 rund 12'000 Betriebe Direktvermarktung. Allerdings wird der Anteil der Direktvermarktung am gesamten landwirtschaftlichen Umsatz auf nur rund 5 % geschätzt (Schweizer Bauernverband).
Auch wir versuchen, einen möglichst grossen Teil unserer Produkte direkt zu vermarkten. Die Direktvermarktung ist ein wichtiger Teil unseres Betriebskonzepts. Trotzdem kommen wir nicht ganz ohne Handelsbeziehungen mit Detailhändlern aus. Solche Deals bedeuten auch immer eine gewisse Abnahmesicherheit und zwar in grossen Mengen.
«Direktvermarktung ist ein beträchtlicher Aufwand, den nicht jeder Bauernbetrieb leisten kann».
Die Krux der Direktvermarktung
Die Krux der Direktvermarktung liegt für die meisten Bauern darin, dass ihre Höfe sehr abgelegen sind. Der Bauernhof ist schlecht erreichbar. Meist hat er noch nicht mal direkte ÖV-Anbindung. Weiterer Nachteil: Ein Bauernhof kann nun mal kein WC-Papier, Spülmittel oder neues Papier für den Drucker verkaufen. Dafür muss der Kunde sowieso in den Grossverteiler. Der Beschaffungs-Aufwand für die Kunden ist entsprechend höher.
Natürlich gibt es neue Konzepte wie Verkaufsautomaten an Bahnhöfen oder Online-Händler wie Farmy.ch, die versuchen, diese Hürde zu überwinden. Entschliesst sich ein Bauer, seine Produkte selbst zu vermarkten, ist der Aufwand entsprechend höher. Er hat dann nicht nur den Job, die Ware zu produzieren, sondern ist auch noch für Vermarktung und Verkauf zuständig. Ein Job, den übrigens oft die Bäuerinnen dann übernehmen.
Eine Möglichkeit der Direktvermarktung ist der Hofladen. Ob physisch oder online: Der will aber auch betreut und aufgefüllt sein. Ein anderer Weg sind Gemüseabos, die in fixen Liefertouren verteilt werden. Auch das aber ein beträchtlicher Aufwand, den nicht jeder Bauernbetrieb leisten kann. Es ist immer eine Frage der vorhandenen Ressourcen (personell und infrastrukturell). Sven Studer unser interner landwirtschaftlicher Fachberater sieht bei der Direktvermarktung zudem folgende Herausforderung: «Viele Direktvermarkter verkaufen ihre Produkte zu zu tiefen Preisen. Sie rechnen den Mehraufwand, die Arbeit, die sie für die Vermarktung leisten müssen, nicht in den Endpreis ein. Sobald Hofläden Angestellte beschäftigen merken sie, dass es nicht mehr aufgeht».
Uns nimmt wunder, wie ihr das wahrnehmt, sowohl als Kund*innen wie auch als Produzent*innen: Seid ihr ein Fan von Direktvermarktung? Wo seht ihr Hindernisse?
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