Für mehr Biodiversität
Blüemli und Bienli... Was erst mal einfach herzig klingt, ist für Jucker Farm als Obst- und Gemüsebaubetrieb ungeheuer wichtig. Denn ohne sie läuft gar nichts. Zumindest längerfristig.
Deshalb investieren die Produktionsleiter von Jucker Farm bewusst in die Natur und die Biodiversität. Dies ohne zwingende Vorgabe seitens Behörden und mit teilweise erheblichen Mehrkosten.
Einige dieser Massnahmen stellen wir in diesem Artikel vor.
1. Der Blumenhügel
Nach dem Bau der neuen Halle in Rafz war von dieser Fläche die oberste Humusschicht des Bodens übrig. Da es zu diesem Zeitpunkt gerade keinen Einsatzort gab, wurde er kurzerhand zu einem Haufen aufgeschichtet. Walter Pfister hat sich entschlossen, ihn mit «etwas Sinnvollem» zu bepflanzen. Nennen wir die Konstruktion mal «Blumenhügel».
Warum ist das sinnvoll?
Die Felder des Spargelhofs in Rafz werden intensiv bewirtschaftet. Rundherum fehlen Inseln für Insekten. Mit dem «Blumenhügel» wurde hier ein Raum geschaffen, der einfach für sich und unberührt bleiben kann. Zudem bildet er zum nahe gelegenen Wald eine ökologische «Brücke», in der sich die Insekten aufhalten können.
Die Mischung ist so zusammengesetzt, dass immer irgendetwas blüht und so immer Nahrung für bestäubende Insekten vorhanden ist. Neben dem Hügel liegt zudem gleich die Versickerungsmulde, in der meist etwas Wasser liegt. Dies ist ebenfalls ein wertvoller Flecken für die Insekten.
Der Blumenhügel sieht schön aus – nur sieht ihn ausser Walter Pfister und seinen Mitarbeitern der Produktion niemand. «Einen direkten Kundennutzen haben wir also nicht, auch kriegen wir hierfür kein Geld. Es ist etwas, was wir einfach für die Natur machen», sagt Walter Pfister vom Spargelhof. «Die Alternative wäre eine Grasmischung gewesen, die rund 10-mal weniger gekostet hätte».
Warum hat er es trotzdem gemacht?
Aus Überzeugung. Eigenen Humus wolle man nicht verkaufen, da dieser eine wichtige Ressource ist. Also blieb ihm nichts anderes übrig, als den Humus zu konservieren, bis er ihn wieder braucht. Und dies ist erst 2020 der Fall. Warum erst dann? Der Boden im Spargelfeld auf der anderen Strassenseite könnte gutes Erdmaterial vertragen. Doch aktuell ist da noch eine mehrjährige Spargelkultur angelegt, die noch weitere zwei Jahre abgeerntet wird. Erst wenn diese Kultur abgeräumt wird, kann der Humus des Blumenhügels wieder ausgebracht werden.
2. Blumenfläche in Eglisau
Auch auf einem «Blätz» Land bei Eglisau wachsen bunte Blumen. Dieses Stück Land liegt zur Regeneration ebenfalls für zwei Jahre brach. Hier hat Walter Pfister, anstatt günstiges Gras zu säen, dieselbe Blumenmischung verwendet wie beim Blumenhügel. Selberpflücken erlaubt. Auch dies zur Förderung der Insekten.
Walter Pfister ist sich der Problematik der immer grösser werdenden Anbaublöcke in der Landwirtschaft bewusst. «Umso wichtiger ist es, inmitten der aus Effizienzründen wachsenden landwirtschaftlichen Parzellen wieder Inseln für unsere Insekten zu schaffen», sagt er. Das bedeute zwar kurzfristig Mehrinvestitionen, aber längerfristig sei das eine unabdingbare Massnahme, nicht nur für die Landwirtschaft.
3. Spargeleinsaat
Jetzt im Herbst ist es besonders gut sichtbar: Das Spargelkraut hat nämlich eine ähnliche Farbe wie Donald Trumps Kopfbedeckung. Dazwischen wachsen Streifen saftigen Grüns. Das ist nicht etwa Unkraut. Im Gegenteil. Es ist Kraut GEGEN das Unkraut. Und das ist nur eine von vielen positiven Eigenschaften.
Konkret handelt es sich um eine so genannte Mulchsaat oder Spargeleinsaat. Das ist eine Mischung aus Grünpflanzen, die zwischen die Spargeldämme eingesät wird. Warum? Der Boden wird während der Bewirtschaftung stark beansprucht und verdichtet. Viele Traktorfahrten drücken den Boden zusammen. So wird er hart und Wasser kann nicht mehr ablaufen, die natürliche Belüftung leidet.
Die hier angepflanzte Mischung enthält Klee, Futtererbsen, Sommerwicken, Buchweizen, Senf, Büschelblumen und Sand-Hafer. Alles einjährige Kulturen, die bei starkem Frost erfrieren. Ihr Vorteil: Durch die unterschiedlichen Wurzelstrukturen (manche sind besonders tief, manche fein verästelt) lockern sie den Boden wieder auf und sorgen für gute Durchlüftung. Ausserdem verhindern die Wurzeln die Bodenerosion durch Regen und Wind. Ausserdem bindet die Mulchsaat Nährstoffe, die sonst im Herbst ausgewaschen werden und nehmen unerwünschtem Unkraut das Licht zum Wachsen. Chemische Unkrautbekämpfung wird hinfällig. Im Frühling beim Fräsen der Spargeldämme wird die Spargeleinsaat einfach untergemulcht. Die gespeicherten Nährstoffe werden dadurch wieder freigegeben in den Boden. Gründünger sozusagen.
Das klingt alles wunderbar und ist es auch, allerdings ist auch das nicht ganz gratis. Eine normale Wiese kostet einiges weniger. «Pro Hektare geben wir 200.- zusätzlich aus, insgesamt sind das Kosten von ca. 5000 Franken», sagt Robert Courth, Leiter der Produktion auf dem Spargelhof in Rafz. Auch hier ist nicht das Prinzip kurzfristig das Günstigste zu machen, sondern die Bodenfruchtbarkeit langfristig zu erhalten.
4. Hochstamm-Allee
Ein weiteres Beispiel für eine nachhaltige Massnahme sei die Allee von Baumnuss-Hochstämmen, die letztes Jahr gesetzt wurde.
«Insgesamt gilt die Faustregel, mindestens einmal jährlich eine solche Sonder-Massnahme zur Förderung der Biodiversität umzusetzen.»
Walter Pfister
Doch das Produktionsteam auf dem Spargelhof sind nicht die einzigen, die hier tagtäglich nachhaltige Entscheidungen treffen. Auch Stefan Bächli - Obstbauchef des Bächli- und Juckerhof - hat eine ganze Liste von Massnahmen, die bereits umgesetzt wurden. «Wir tun viel in diese Richtung. Sehr viel. Und zwar einfach aus Überzeugung», sagt er. Zwei solcher Massnahmen stellen wir hier etwas genauer vor.
5. Obstgarten «höchster Qualitätsstufe»
Schon letztes Jahr haben wir im Beitrag über den «unnützen Birnbaum» berichtet, der Teil eines ganzen «Obstgartens» ist: Ein Kollektiv an Lebend- und Totpflanzen und so genannten «Strukturelementen», die als Gesamtheit wertvolle Nistplätze und Lebensräume für Insekten und Vögeln bieten.
Hierzu gehören auch die Teiche auf den Höfen in Seegräben und Jona, Holzstapel, extensive Wiesen, die an die Obstgärten angrenzen. Die grosse Vielfalt innerhalb des Obstgartens, also Baumnuss- Apfel-, Birnen- und Kirschbäume – einige davon sogar Pro Specie Rara-Sorten und ältere Hochstammbäume mit grossen Stammdurchmessern machen den Lebensraum vielfältig. Weiter mit dabei sind Nisthilfen für Bienen und Wildbienen und Fledermäuse, Hecken mit Dornsträuchern usw.
Zu diesem Thema empfehlen wir die SRF Einstein Reportage «Sind unsere Insekten noch zu retten?», bei der auch unser Stefan Bächli seinen Teil dazu beigetragen hat.
6. Fromentalwiese Seegräben
Im Frühling 2018 hat Stefan Bächli auf dem Juckerhof angefangen, die Wiese in Richtung See mit einer Fromentalmischung aufzuwerten. Wegen der Trockenheit ist es jedoch nicht wirklich gut gelungen. Aber was ist das überhaupt – eine Fromentalwiese?
«Beispiel einer wenig intensiv bewirtschafteten Wiese. Die artenreiche Fromental-/Goldhaferwiese (sogenannte blumenreiche Heuwiese) ist Lebensraum für seltene Pflanzen, Insekten und Vögel. Deshalb hat sie für die biologische Vielfalt der Landschaft einen unermesslichen Wert. Der erste Schnitt im Jahr darf erst sehr spät (im Talgebiet nach Mitte Juni) durchgeführt werden, damit die Pflanzen versamen können», heisst es auf landwirtschaft.ch.
Die Motivation ist für Bächli die gleiche wie für Walter Pfister in Rafz: Langfristig das Gesamtsystem am Leben zu erhalten, um auch in ferner Zukunft noch Landwirtschaften zu können.
1 kg dieses Saatgutes als Fromentalwiese kostet 128.- und reicht nur für 250 m2 – wir benötigten das 10-fache. Früher waren solche Fromentalwiesen Standard. Aber seit der immer intensiveren Bewirtschaftung der Böden nicht mehr. Die Alternative könnte auch eine überdüngte Kulturwiese zur Viehmast sein. Also Löwenzahn, wie man das sonst vielerorts sieht.
Das Geld für diese Aufwertungen entnimmt Stefan den Landschaftsqualitätsbeiträgen, die er für vielfältige Tierhaltung, den Lindenbaum beim Hofrestaurant und die zugänglichen Aussichtspunkte (Bänkli bei der Hochzeitwiese) erhält. Er hätte es aber auch ohne diese Beiträge gemacht. Für unsere Höfe, für die Natur, für die Insekten – denn über den Tellerrand hinaus denken ist manchmal nicht günstig, dafür sinnvoll und «das Richtige».
Passend dazu, die FarmTalk Podcastfolge "Biodiversität - was bringts?":
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