Gülle stinkt – und sonst so?
Wer auf dem Land wohnt, der kennt das: Kaum ist Frühling, tuckern sie wieder über die Felder: Die Güllewagen. Kurze Zeit später legt sich eine wabernde «Duftwolke» über das Land. Ich gebe zu: Auch ich fluche jedes Mal kurz, wenn ich in der Absicht zu lüften das Fenster gleich wieder zu machen kann.
Aber ganz ehrlich: Es wäre doch einfach nur unfair, deshalb auf den Bauern rumzuhacken. Sie produzieren schliesslich das, was wir essen wollen. Und solange Hinz und Kunz zum Zmittag standardmässig ihr Schnitzel auf dem Teller sehen wollen, oder einen Hektoliter Milch in den Kafi brauchen, müssen wir das schlucken. Beziehungsweise einatmen. Es gehört halt auch dazu.
Doch wie kommt’s? Wir erläutern euch die Zusammenhänge rund um den vielgeliebten Gestank.
Warum wird Gülle gespritzt? Welche Vorgaben gibt es?
Gülle ist das Gemisch von tierischem Kot und Urin, Stroh oder Sägemehl und Wasser. Also das, was in der Tierhaltung halt eben anfällt. Denn was lebt, das scheisst.
Im Sommer ist das kein Problem, da verrichten die Tiere ihr Geschäft einfach auf der Weide. Im Winter jedoch, wenn kein Gras auf der Weide ist und die Böden gefroren sind, dürfen die Kühe zwar raus in Laufhöfe, aber nicht auf die Weide, da sie sonst zu viele Schäden anrichten würden. Zudem ist die Verletzungsgefahr zu gross, wenn es gefroren ist. Das heisst, die Gülle und der Mist müssen über den Winter gesammelt werden. Damit die Güllegruben nicht überlaufen, muss jeder landwirtschaftliche Betrieb eine genügend hohe Lagerkapazität für Gülle vorweisen können. Im Frühling sind die Gruben dann voll und die Bauern froh, sie endlich leeren zu können.
«Ohne die Gülle müsste viel mehr Kunstdünger importiert werden.»
Dies tun sie auch, sobald es die Böden zulassen. Denn bezüglich des Ausbringens von Gülle gibt es einige Auflagen (Quelle: bafu.ch)
- Die Pflanzen müssen in der Lage sein, den ausgebrachten Stickstoff aufzunehmen. Dies ist in der Regel dann der Fall, wenn durch das Pflanzenwachstum auch ein Nährstoffbedarf besteht.
- Es soll bei möglichst kühler und windstiller Witterung gedüngt werden.
- Hofdünger soll möglichst rasch in den Boden eindringen können.
- Zur Ausbringung soll möglichst ein Schleppschlauch verwendet werden, der die Gülle direkt auf den Boden bringt, statt sie unnötig durch die Luft zu schleudern.
Nicht gestattet ist die Ausbringung von Gülle dann, wenn der Boden schneebedeckt, gefroren, zu stark ausgetrocknet oder durchnässt ist. Dann wäre er nicht mehr aufnahmefähig und die Gülle würde beim nächsten Regen abschwemmen und die Gewässer verschmutzen.
Damit die Gülle weniger «stinkt» kann sie mit Luft, Kohle oder Kalk behandelt werden. Doch nun zu den positiven Seiten der Gülle:
Sinnvoller Naturdünger
Gülle auszubringen macht grundsätzlich sehr viel Sinn, denn Gülle oder Mist sind hochwertige Dünger mit vielen Haupt und Spurennährstoffen. Bei richtiger Behandlung und gezieltem Einsatz bringen Gülle und Mist Nahrung für die Pflanzen und die Bodenbiologie. Schlussendlich schliesst man so den Kreislauf. Was dem Boden entnommen wurde, wird ihm in Form von tierischen Exkrementen wieder zurückgegeben.
«Das Problem der Gülle ist ihre Konzentriertheit.»
Viehgülle enthält ungefähr 3-5 kg Stickstoff, 1-2 kg Phosphat, 4-5 kg Kalium und 1 kg Magnesium pro Kubikmeter (Quelle: landwirtschaftskammer.de).
Ohne die Gülle müsste viel mehr Kunstdünger importiert werden.
Eine Frage der Verteilung
Naturgemäss haben Tierhaltungsbetriebe eher zu viel tierischen Dünger, Acker- und Gemüsebaubetriebe eher zu wenig davon. Deshalb wird untereinander fleissig verteilt. Denn: In der Schweiz muss jeder landwirtschaftliche Betrieb seine Nährstoffbilanz einhalten. Es wird ganz genau kontrolliert, wie viel Gülle anfällt. Der Bund hat dafür sogar eigens die Plattform «HODUFLU» ins Leben gerufen. Hier können sich Betriebe, die Gülle abgeben müssen, Abnehmerbetriebe suchen und umgekehrt. Auch die Biogasanlage ist an die Plattform angeschlossen. Wenn man selber keinen direkten Abnehmer findet, kann man seine Gülle da loswerden. Für den Abtransport muss man dann allerdings bezahlen.
Ökologisch problematisch
Das Problem an der Gülle ist ihre Konzentriertheit. Würde der Kuhmist, so wie er anfällt – nämlich kontinuierlich – über die Weidefläche verteilt, würde das niemandem auffallen und die Pflanzen hätten genügend Zeit, die Nährstoffe auch aufzunehmen. Allerdings würden die Pflanzen so nur punktuell gedüngt, also da wo der Kuhfladen zu liegen kommt. In der Praxis müsste dann der Mist auf den Weiden noch mechanisch verteilt werden.
Die optimale Verteilung ist also eine Gratwanderung und scheint trotz der guten Vermittlungsplattform noch eine Herausforderung zu sein. Bei nicht sachgerechter Handhabung kann es lokal zu Überdüngungen oder Verunreinigungen der Oberflächengewässer kommen. In der Schweiz werden die kritischen Stickstoffwerte mancherorts immer wieder überschritten, teilweise um 30 kg N/ha pro Jahr (Quelle: agrarbericht.ch).
Das liebe Ammoniak
Ein weiteres Problem der Gülle: Sie enthält viel Ammoniak (NH3), das in der Luft als Schadstoff gilt und empfindliche Ökosysteme rasch belasten kann. Rund 93% der Ammoniakemissionen stammen aus der Landwirtschaft, davon wiederum über 90% aus der Tierhaltung (Quelle: bafu.ch)
Wiederum 43% davon fallen beim Ausbringen von Gülle und Mist an, weitere 37% im Stall, 17% beim Lagern von Dünger. Deshalb ist man schon länger darauf bedacht, diese Emissionen möglichst tief zu halten.
Was hilft?
Die Ausbringung von Gülle ist in der so genannten Luftreinhalteverordnung geregelt. Zum Beispiel soll möglichst mit einer Schleppschlauchvorrichtung gegüllt werden. Das sind diese Anhänger mit den fingerartig angeordneten Schläuchen, die die Gülle direkt auf den Boden bringen, statt sie erst durch die Luft zu schleudern. Zudem müssen Güllegruben abgedeckt werden.
Als zweite Massnahme hat der Bund Beiträge für Weidehaltung (RAUS-Programm) vorgesehen. Also für Kühe, die einen Grossteil der Zeit draussen auf der Weide verbringen und die Pflanzen eben kontinuierlich mit ihrem «Dünger» versorgen.
Zudem sollen bauliche Massnahmen im Stall und Anpassungen in der Fütterung der Tiere helfen, die Ammoniakbelastung zu senken (Quelle Massnahmen: agrarbericht.ch)
Weniger Fleisch und Milch
Die landwirtschaftlichen Ammoniakemissionen wurden in den ersten 10 Jahren nach 1990 auch um rund 18 % verringert. Seither stagniert die Entwicklung. Wie der Schweizer Bauer in einem Artikel den Bundesrat zitiert, sei dies aber in erster Linie auf die Verringerung des Tierbestands zwischen 1990 und 2000 zurückzuführen. Tatsächlich korrelieren die Emissionen mit dem Tierbestand, wie man auf agrarbericht.ch lesen kann.
«Ganz ohne tierische Ausscheidungen wird es nicht gehen.»
Insbesondere die Viehhaltung schlägt bei den Emissionen zu Buche. Gemäss BAFU sind sei für über 70% der Emissionen verantwortlich. Das bedeutet: Am meisten bringen würde es, weniger tierische Produkte zu konsumieren, damit der Tierbestand weiter reduziert werden kann. Dann sinken auch die Emissionen.
Doch man darf nicht vergessen: Der Anbau von Pflanzen braucht Nährstoffe. Die Gülle leistet hier einen wichtigen Beitrag zur Düngung. Wo nicht mit Gülle gedüngt wird, wird Kunstdünger benötigt. Das bestätigt auch die Herangehensweise der regenerativen Landwirtschaft, in der die Tierhaltung eine wichtige Komponente des Gesamtkonzepts darstellt. Ganz ohne tierische Ausscheidungen wird es also nicht gehen. Aber vielleicht mit etwas weniger…
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