Frauen in der Landwirtschaft – Teil 4
Unter einer «Bäuerin» verstehen die meisten Leute einfach eine Frau, die auf dem Bauernhof arbeitet, unabhängig von den genauen Aufgaben, die sie im Betrieb wahrnimmt. Doch es gibt einen Unterschied. Eine Landwirtin ist nicht unbedingt eine Bäuerin und umgekehrt.
Betriebsleiterinnen…
Die Landwirtin EFZ absolviert eine vierjährige Berufslehre, die sie zur Betriebsleitung befähigt und als Schwerpunkt die Produktion, Viehhaltung und Führung der landwirtschaftlichen Maschinen hat. «Sie übernehmen schon früh eine grosse Verantwortung (…) Ihre Arbeit ist lebenswichtig (…) Hier beginnt Ihre Karriere zum Unternehmer», heisst es im Ausbildungsbeschrieb der Strickhof-Website. Der Strickhof ist jene Institution im Raum Zürich, bei der man sich in landwirtschaftlichen Berufen aus- und weiterbilden lassen kann.
vs. «Haushaltskompetenzen»
Im Unterschied dazu wird die «Bäuerin» lediglich als Weiterbildung angeboten und setzt eine abgeschlossene Ausbildung voraus. Die Weiterbildung zur Bäuerin ist in den letzten Jahren immer beliebter geworden. Zwischen 2012 und 2017 erfreute sie sich steigender Beliebtheit. Aktuell seien die Zahlen stagnierend, davor sei das Interesse teilweise sehr tief gewesen, sagt Johanna Schaufelberger, Leiterin der Abteilung «Bäuerinnen & Gesundheit» der Landwirtschaftsschule Strickhof in Lindau ZH.
Schwerpunkte in dieser Weiterbildung sind Gartenbau, Vermarktung und Verarbeitung der Produkte sowie Haushaltskompetenzen (Genaue Stundenanzahl der Module). Der Ausbildungsbeschrieb: «Für das landwirtschaftliche Familienunternehmen bilden wir kompetente Unternehmenspartnerinnen aus. Sie bringen konstruktiv Ideen ein und gestalten den eigenen Betrieb aktiv mit (…) Die erworbene Sicherheit stärkt, ermutigt Veränderungen anzupacken (…)». Das liest sich schon etwas anders als oben. Über die Hälfte der Zeit (58%) sind «Hausfrauen-Arbeiten», lediglich 25% der Zeit verbringen die Bäuerinnen mit Recht, Wirtschaft und Buchhaltung.
Das wäre an sich ja nichts Schlechtes, denn auch diese Aufgaben müssen gemacht sein, und verdienen ihre Anerkennung! Es ist auch einfach ein anderer Job.
Keine geschlechtsneutrale Bezeichnung
Nur etwas stört mich und ich vermute, dass ich nicht die Einzige bin: Es heisst wirklich «BäuerINNENschule». Während in allen anderen Berufen (auch bei den Landwirten!) mittlerweile geschlechtsneutrale Bezeichnungen gefunden wurden, findet man das für die Bäuerinnen unnötig. Versteht mich nicht falsch, ich bin keinesfalls ein Fan von sprachlicher Gleichsetzungs-Pedanterie. Aber bei den Berufsbezeichnungen haben solche Überlegungen durchaus eine Berechtigung. Was ist, wenn ein Mann das Bedürfnis nach dieser Ausbildung hätte?
Aktuell macht kaum ein Mann macht die Bäuerinnenschule, wie auch Frau Schaufelberger vom Strickhof bestätigt: «Bisher gab es noch keine Männer in der FA Bäuerin im Strickhof. An anderen Schulen gab es vereinzelt Absolventen».
Dem Landwirt untergeordnet
Zudem geht das System ganz klar von einer Hierarchie aus. Der Platz der Bäuerin ist an der Seite des Landwirten. Nur schon deswegen, weil Landwirt eine Berufsausbildung ist und die Bäuerin «bloss» eine Weiterbildung. Natürlich hat sie eigene Bereiche und entscheidet mit. Wie stark das der Fall ist, dürfte allerdings von der jeweiligen Partnerschaft abhängen, wie wir in den Interviews mit unseren Bäuerinnen erfahren haben (Teil 2 - Thema Wertschätzung).
Der Slogan des Berufsbild-Videos des Schweizer Bauernverbands lautet «mit Überzeugung traditionsbewusst und selbstbestimmt», und weiter soll die Bäuerin «das Bild der Landwirtschaft in der Öffentlichkeit mitgestalten», und das «mit der gleichen traditionsbewussten und selbstbestimmten Überzeugung wie die Frauen in meiner Familie seit Generationen». Liest sich: Der Platz der Frau ist an der Seite des Mannes. Das ist schon seit Generationen so und soll auch heute noch so sein.
Partner der Landwirtinnen?
Aber: Immer mehr Frauen machen die Ausbildung zur Landwirtin. Was dann? Wer ist dann der Partner an ihrer Seite, der sich um Verarbeitung, Vermarktung, Garten und Haushalt kümmert? Ihr Mann, der die Bäuerinnenschule gemacht hat?
Zementiert man durch die Bezeichnung «Bäuerinnenschule» nicht bestehende Verhältnisse? Ist es nicht inkonsequent, die Bezeichnung zur Landwirtin geschlechterneutral umzugestalten, sie aber bei der «Bäuerinnenschule» beizubehalten? Ist denn die Erwartung an die neuen Landwirtinnen, dass sie alles selber machen? Tatsächlich seien viele Absolventinnen der Bäuerinnenschule Landwirtinnen, die die Bäuerinnenschule als wertvolle Weiterbildung absolvieren. Aber eben nicht alle. Viele tun es, weil sie Landwirte als Männer haben und für eine Hofübernahme gut vorbereitet sein wollen.
«Hoi, ich bin Heiri und mache die Bäuerinnenschule!»
Trotzdem - ich kann mir vorstellen, dass es dem Wandel nicht gerade zuträglich ist, die Bezeichnung zu belassen. Denn: Wenn der Bauernhof weiter ein Familienbetrieb ist: Welcher Mann schreibt sich schon bei der Bäuerinnenschule ein? Es braucht schon eine gehörige Prise Humor und Selbstbewusstsein, dies erhobenen Hauptes zu tun, oder nicht?
Lustigerweise störte sich keine der von uns in Teil 2 interviewten Bäuerinnen an der Bezeichnung. Wie es denn sonst heissen solle, bekamen wir als Gegenfrage oft zu hören. Auch die älteren Städterinnen (in Teil 1 unserer Serie) fanden nichts auszusetzen. Jüngere Teilnehmer unserer Umfrage fanden den Begriff etwas altbacken. Nur eine Teilnehmerin teilte konkret unsere Bedenken.
Wie seht ihr das Thema? Ist das eine sprachliche Spitzfindigkeit oder findet ihr man sollte die Bäuerinnenschule umbenennen? Und wenn ja, wie könnte sie heissen?
Dies war der vorerst letzte Teil unserer Serie über «Frauen in der Landwirtschaft». Weitere Teile:
Teil 1 - Bild der Bäuerinnen aus städtischer Sicht
Teil 2 - Wie geht es den Frauen in der Landwirtschaft?
Teil 3 - Vereinbarkeit von Familie und Beruf in der Landwirtschaft
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