Die legendäre Frau Bächli
Der Bächlihof ist heute ein brummender Bienenstock mit einem grossen, modernen Hofladenrestaurant, Eventräumen und verkauft wird viel mehr als nur Äpfel. Da hat sich viel geändert in den letzten 20 Jahren.
Doch schon früher genoss der Bächlihof weit über Rapperswil hinaus einen guten Ruf. Da ging man hin, um Äpfel zu kaufen. Herz des Betriebs war Mathilde Bächli geborene Helbling, die Grossmutter des aktuellen Betriebsleiters Stefan Bächli und Mutter von Werner Bächli.
Sie muss eine ganz besondere Frau gewesen sein. Wir stellen sie heute vor, da sie als Charakterkopf Teil des von Rapperswil-Zürichsee Tourismus lancierten Obersee-Rundwegs sein wird, der seit letzter Woche eröffnet ist. Mathildes «Charakterkopf-Skulptur» wird als weitere Station dieses Rundwegs im Laufe des Sommers zum Erlebnisweg dazustossen.
Die vielseitige Helbling-Tochter
Mathilde wurde im Kriegsjahr 1918 auf dem «Blaubrunnen» geboren, wie der Bächlihof früher hiess. Sie war die ältere der beiden Töchter von Albert Helbling, der zum Anfang des 20. Jahrhunderts den Blaubrunnen bewirtschaftete. Nach dem Besuch der Primarschule in Jona ging sie zur Sekundarschule im Kloster Wurmsbach. Anschliessend verbrachte sie ein Jahr im Internat in Fribourg, um Französisch zu lernen.
Wie viele junge Frauen in der Zeit arbeitete sie danach als Au-pair im Tessin und später auch als Kindermädchen bei einer Diplomatenfamilie in Rom. Kurz vor Beginn des zweiten Weltkriegs wurde sie von ihrem Arbeitgeber durch die damals bereits geschlossenen Grenzen zurück in die Schweiz gebracht und verliebte sich bald in Gottlieb Bächli, der damals als landwirtschaftlicher Mitarbeiter auf dem Hof ihres Vaters angestellt war. Am 8. Mai 1943 heirateten die beiden und übernahmen zusammen den «Blaubrunnen» als erste Familie Bächli. Bächlihof heisst der ehemalige Blaubrunnen aber erst, seit Mathildes Enkel Stefan ihn übernahm und mit der Jucker Farm gemeinsame Sache machte.
Eine rustikale «Dame von Welt»
Eigentlich wäre die junge Mathilde jedoch gerne noch weiter in der Welt herumgekommen. Ohne 2. Weltkrieg hätte sie wohl die nächste Stelle als Kindermädchen bei Diplomaten in Tunesien angetreten.
Nun war sie aber auf dem Hof und widmete sich Haus, Hof und Familienleben. 1944 kam der erste von drei Söhnen auf die Welt. Während des Kriegs bediente sie jeweils die von der Gemeinde Jona für die Bevölkerung zur Verfügung gestellte Getreidemühle, die den Standort auf dem Bächlihof hatte. Auch durch die Mosterei und den Holzhandel gewann der Bächlihof an Bekanntheit.
Werner Bächli beschreibt seine Mutter als sehr weltoffene, vielseitig interessierte Frau. Dies zeigte sich auch in der Zeit nach dem Krieg, als viele italienische Saisonarbeiter in die Schweiz kamen. Auch auf den Bächlihof. Ihre ausgezeichneten Italienischkenntnisse waren aber nicht nur da von Nutzen. Immer wieder wurde sie auf die Gemeinde gerufen, um für die vielen italienischen Gastarbeiter zu übersetzen. Bald war sie bekannt dafür als «die, welche die Italiener versteht» und das nicht nur im sprachlichen Sinne.
Die, welche die Italiener versteht
«Meine Mutter verstand die italienische Mentalität und es gab viele Feste mit den italienischen Gastarbeitern auf unserem Hof», erzählt Werner Bächli über seine Mutter. Sie durfte für die Gastarbeiter auch den einen oder anderen Liebesbrief vorlesen oder verfassen, da diese oft weder schreiben noch lesen konnten. Noch heute kommen ab und an damals Eingewanderte auf den Bächlihof und fragen nach der «Nonna». In der lokalen italienischen Gemeinschaft hatte Mathilde Bächli wohl einen bleibenden Eindruck hinterlassen.
«Und wehe, es hat jemand einen Apfel angefasst.»
Das Flair für die Italianità zeigte sich auch darin, dass sie Wert darauf legte, ihre 3 Jungs immer modisch und adrett zu kleiden. So ganz untypisch für eine ländliche Bauernfamilie. «Sie traf immer mal wieder ihre Schwester in der Stadt Zürich und brachte dann feine Leckereien und die modernsten Stoffe mit», sagt Werner, «wir hatten nicht die karierten Hemden, sondern eher die Feinen an», schmunzelt er.
«Göhnd sie doch in Migros»
Doch so sehr sie Dame von Welt war, genauso bodenständig und «gschaffig» war sie. Den Hofladen, in dem sie auch mit 89 Jahren noch anzutreffen war, führte sie nach ihren sehr konkreten Vorstellungen. Selbstbedienung gab es nicht. Sie wollte ihre Kunden bedienen, auch dann noch, als das Lädeli schon in «Jucker-Führung» lag. Und wehe, es hat jemand einen Apfel angefasst.
Sie war eine sehr offene und herzensgute Frau. Ausser wenn jemand geklaut hat. Dann konnte sie sehr nachtragend sein. Diese «Kunden» wurden dann einfach nicht mehr bedient. Auf Lebzeit. «Göhnd sie doch in Migros», pflegte sie ihnen zu sagen.
Faszinierend war, wie sie Beträge bis über 100 Franken ohne weiteres im Kopf ausrechnen konnte. «Aufgeschrieben hat sie es jeweils nur für die Kunden, die ihr sonst nicht hätten folgen können», erzählt Werner Bächli.
«D Meitli wartet, ihr münd go!»
Mathilde Bächli zu ihren Söhnen
Eine klare Linie
Als Mutter sei sie sehr geduldig und für damalige Zeiten nicht sehr streng gewesen. Aber sehr konsequent. Für Dummheiten hatte man selbst geradezustehen. Da gab’s nichts. Werner und seine beiden Brüder wurden für die Arbeit auf dem Hof eingeteilt. Wochenweise hatten sie Koch-, Stall- oder Auslieferungsdienst. Und später, als Werner und seine Brüder langsam zu jungen Männern wurden, wollte sie sie am Samstagabend nicht zuhause sehen. «D Meitli wartet, ihr münd go», habe sie dann immer gesagt.
Auch Lydia Bächli, Werners Frau und Mutter von Stefan Bächli, schwärmt von ihrer Schwiegermutter: «Eine bessere Schwiegermutter hätte ich mir nicht wünschen können. Sie hat mich nicht nur akzeptiert, sondern an- und aufgenommen».
Der Bächlihof früher
Der Bächlihof war schon damals weit herum bekannt für seine Äpfel und seinen Most. Doch nicht nur das: Auch eigenes Gemüse wie Bohnen oder Zwiebeln konnte man da kaufen. Früher habe man fast mehr Äpfel verkauft als heute. An einem Samstag in der Saison seien zwischen 1-2 Tonnen verkauft worden. Zu viert habe man dann im Hofladen gestanden. Damals haben auch Privatpersonen viel grössere Mengen gekauft als heute. Zudem gab es grössere Bestellungen von Restaurants.
Der Bächlihof war einer der ersten, die einen eigenen Lastwagen zur Auslieferung hatten. Ebenfalls bekannt war der Hof durch die Mehlmühle und die Mosterei. Mathildes Mann Gottlieb Bächli war auch politisch sehr engagiert, was der Bekanntheit sicher keinen Abbruch tat. Mathilde selber sei aber eher ein Familien- und Hofmensch gewesen. «Die beiden hatten durch ihre Erfahrungen ausserhalb der Bauernhofwelt schon eine etwas andere Weitsicht als andere Bauern». Das habe den Bächlihof langfristig positiv geprägt, meint Lydia.
Frauen in der Landwirtschaft
Wer gut aufgepasst hat, der hat vielleicht gemerkt, dass Mathildes Foto im FarmTicker bereits zuvor aufgetaucht ist. Und zwar als Auftakt unserer Serie "Frauen in der Landwirtschaft".
Teil 1 - Bild der Bäuerinnen aus städtischer Sicht
Teil 2 - Wie geht es den Frauen in der Landwirtschaft?
Teil 3 - Vereinbarkeit von Familie und Beruf in der Landwirtschaft
Teil 4 - Die «Bäuerinnenschule» - ein emanzipierter Begriff?
Holzhandel
Schöne Grüße und wunderbare Feiertage :)
Valérie Sauter
Gleichfalls ;-)