Besuch bei Pit Ruge
Ein Freitag im Juni. Nadine und ich machen uns auf den Weg ins nahe Deutschland um jenen Mann zu besuchen, der Jahr für Jahr die imposanten Figuren baut, die im Herbst wieder von Tausenden von Kürbissen geschmückt werden.
Ziel: Eine Hütte im Wald in der Nähe von Stuttgart - die «Waldwerft». Als wir eintreffen, sind Künstler Pit Ruge und seine drei Mitarbeiter gerade beim Frühstück. Das Häuschen ist ein Kleinod - vollgestopft mit allerlei Werkzeugen, Krimskrams, inmitten einer grünen Oase, umschmeichelt von Efeu- und anderen Ranken. Vor dem Haus blüht ein hübscher Busch mit weissen Blüten.
Eine Girlande aus Holzscheiben ziert den Eingangsbereich. Derlei und andere esoterisch angehauchte Spielereien trifft man überall wieder. Genauso wie allerlei Kunst und zufällige Funde aus Wald, Wiese und dem Trödelladen. Hier könnten auch Huckelberry Finn oder Nordqvists alter Peterson wohnen.
Kreatives Schaffen in der Waldoase
Pit und seine Kumpels sitzen auf massiven, selbstgebauten Bänken. Hinter Pit steht ein 2 Meter langer, hölzerner Säbelzahntiger. Die Männer frühstücken vegetarisch. «Die meisten meiner Kollegen leben in Wohngemeinschaften, die ausschliesslich vegetarisch oder vegan leben», erklärt Pit. Selber sei er aber durchaus ab und an für ein Stück Fleisch zu haben.
«Seine Kollegen», das sind Künstler und Handwerker mit den unterschiedlichsten Hintergründen, aus den unterschiedlichsten Herkunftsländern. Man spricht auch mal Englisch miteinander. Sie kommen immer für 2-3 Wochen in die Waldwerft und arbeiten da an den Figuren mit, wo sie ihre unterschiedlichen Fähigkeiten am besten einsetzen können.
Zweieinhalb Monate pro Jahr
Pit verbringt die Zeit von Mai bis Juli durchgängig in der Waldwerft. Das restliche Jahr über lebt er mit seiner Lebensgefährtin und seinem fünfjährigen Sohn in Berlin. «Wir haben auch schon überlegt, ob wir die Waldwerft nicht nach Berlin umsiedeln könnten, aber da würden wir wohl zu viel Krach machen», erklärt er.
Krach, das heisst: Schweissen, Metall schneiden, hämmern, schleifen und vor allem: Jede Menge Arbeit mit der Motorsäge. Pit besitzt welche in verschiedenen Grössen. Auf der Waldwerft gibt es drei Arbeitsplätze. Es sind Unterstände aus massiven Robinien-Stämmen, bedeckt mit einer Zirkuszelt-Blache. Wie so vieles in der Waldwerft hat er dieses Stück Blache durch einen Spezial-Deal ergattert.
So auch die Wanne für das selbstgebaute Jacuzzi, ursprünglich eine Spargel-Wasch-Wanne, die er gegen Fotorechte eingetauscht hat. Den Pizza-Ofen hat er selbst gebaut. Überhaupt ist die Waldwerft eine organisch gewachsene Ansammlung an Schuppen und Unterständen. Hier ein Bänkchen, da ein Sandkasten, ein Brunnen (selbstverständlich aus Holz). Alles selbstgebaut, alles scheint eine Geschichte zu haben.
Doch wie begann sie eigentlich, die Geschichte von Pit und den Jucker-Brüdern?
Durch den Kürbis
Man lernte sich an der ersten Kürbisausstellung in Ludwigsburg kennen. Da gab es noch keine Figuren. Pit war damals beim Aufbau der Kürbisausstellung mit dabei. Von Haus aus ist Pit Mechaniker. Wegen eines einschneidenden Unfalls musste er sich umschulen lassen und ist bei der Fotografie gelandet, was er an der Kunsthochschule in Berlin studiert hat. Seither ist er selbständiger Künstler und realisiert neben seiner Tätigkeit für die Jucker Farm AG noch andere künstlerische Projekte.
Die Objekte für die Jucker’sche Kürbisausstellung entwickelt man jedes Jahr am so genannten «Kreativ-Meeting» im November des Vorjahres, irgendwo am Ende der Welt. Danach hat Pit Zeit, die Figuren zu konzipieren und zu planen. Die ganze Schnitzarbeit beginnt dann im Mai. Bis Ende Juli müssen die Figuren fertig sein. Eine besondere Herausforderung: Die Figuren so zu bauen, dass sie in transportierbare Stücke zerlegt werden können und trotzdem stabil genug sind. Und dann sollen sie natürlich auch noch nach etwas aussehen.
Der Beethoven
Und das jedes Jahr von Neuem. Dieses Jahr soll das Thema der Kürbisausstellung «Musik» sein. Pits ganzer Stolz: Eine enorme Büste von Beethoven, mit dessen Frisur der Kollege aus dem Metallbau gerade betraut ist. Seine Erscheinung in Holz und Kürbis soll seiner musikalischen Grösse gerecht werden. Und mit einer Motorsäge die Gesichtszüge angemessen widerzugeben ist eine Meisterleistung. Den Part hatte Pit übernommen.
Jetzt bearbeitet er den Kopf eines DJs mit der kleinen Motorsäge. Einer seiner Kollegen formt aus Stämmen Arme und Beine. Ein brachiales Handwerk. Für die Kürbisfiguren verwendet er vorzugsweise Robinien-Holz. Dieses sei aber zunehmend schwierig zu finden, da die Spielplatzbauer mittlerweile auch darauf gekommen sind. «Ich suche immer Holz», meint Pit. Vor allem die ganz dicken Stämme seien schwierig zu kriegen. Die braucht er für so imposante Stücke wie den Beethoven.
Noch keine Kommentare zu “Besuch bei Pit Ruge”