Komposttee statt Pflanzenschutz
Während in Seegräben und Jona im Zuge der Ausrichtung auf die regenerative Landwirtschaft Versuche mit Tieren zur Unkrautbekämpfung gearbeitet stattfinden, hat man auf dem Spargelhof etwas grössere Flächen zu bewältigen und mehr Druck, die Produktion aufrecht zu erhalten. Deshalb fallen die Massnahmen dort nicht ganz so idyllisch aus, wie auf dem Juckerhof und auf dem Bächlihof.
Doch auch in Rafz geht etwas. Und zwar nicht zu knapp. Nachdem es dieses Jahr gelungen ist, die Erdbeeren und Kirschen herbizidfrei anzubauen und ordentlich Terra Preta produziert wurde, kommt jetzt ein weiterer Trick auf den Plan: Wir schützen unser Getreide mit so genanntem Komposttee.
Komposttee klingt super. Ich kann mir auch gleich vorstellen, wie das geht: Kompost ins Wasser, ziehen lassen, fertig – trinken.
Nein, nicht ganz. 😊
Unser Produktionsleiter hat mich schlauer gemacht.
Wofür wird Komposttee verwendet?
Ich dachte ja erst, der Komposttee sei wie ein natürlicher Dünger. Doch das ist Quatsch. Tatsächlich wird Komposttee verwendet, um die natürlichen Abwehrkräfte der Pflanzen von innen heraus zu stärken. Wie eine Art Vitaminkur. Die im Komposttee enthaltenen Mikroorganismen machen die Pflanzen widerstandsfähiger gegen Pilzerkrankungen und Schädlingsbefall.
Wie wird Komposttee hergestellt?
Zur Herstellung von Komposttee benötigt man einen grossen Behälter, der aktiv belüftet und beheizt werden kann und hochwertigen Kompost. Zusätzlich wird der Mischung Steinmehl, Melasse und eine Starterkultur Mikroorganismen zugefügt, die sich dann in diesem Gemisch gezielt vermehren sollen.
Um Komposttee herzustellen, nehmen wir aber nicht etwa unseren eigenen Kompost: «Die Verwendung von frischem Kompost wäre sehr risikoanfällig, da dieser Kompost nicht wärmebehandelt ist. Da könnte auch ganz ungesundes Zeugs gedeihen, das wir nicht auf unseren Pflanzen haben wollen. Das könnte sogar lebensmittelhygienisch problematisch werden», erklärt er.
Deshalb kauft er die Komposttee-Mischung bei einem Spezialisten ein. Auch die Infrastruktur, die es zur Herstellung von Komposttee braucht, konnte er direkt so einkaufen: Einen 1600 Liter Tank, mit Pumpe, Rohren und Temperatursensoren.
Wichtig ist: Der Komposttee muss für jede Anwendung wieder frisch hergestellt werden. Da man es hier mit lebenden Mikroorganismen zu tun hat, eine ziemlich fragile Angelegenheit. Zuerst wird das Wasser im Tank während mehrerer Tage auf 27 Grad erhitzt. Bei den aktuellen Temperaturen ist es in 1-2 Tagen soweit, vor einigen Wochen dauerte das noch 3-4 Tage. Dann werden die Zutaten eingerührt. Dann wird so lange gerührt, bis sich genügend Mikroorganismen entwickeln konnten. Das dauert mindestens 36-48 Stunden. Dann wird der Rührvorgang gestoppt, damit sich die darin befindlichen Partikel absetzen können und der Schaum abgeschöpft ist.
Danach gilt es, schnell zu sein. Nach 4-6 Stunden sollte der Komposttee ausgebracht sein. Sonst wird er schlecht. «Solange man rührt, ist das kein Problem. Im Gegenteil, da wird die Mischung lange Zeit einfach besser», erklärt unser Produktionsleiter.
Wie und wo wird der Komposttee ausgebracht?
Die Mischung wird dann in eine so genannte «Spritze» gefüllt. Also eigentlich genau so ein Gerät, das man verwendet, um andere Pflanzenschutzmittel auszubringen. Man rechnet, dass man pro Hektare ca. 80-100 Liter Komposttee braucht.
Wir bringen den Komposttee auf allen Kulturen aus, die nicht direkt verzehrt werden. Das heisst: Vorerst mal bei Rüben, Kürbis und Getreide. Also da, wo die Früchte noch nicht erntereif sind und nicht direkt mit dem Gemisch in Berührung kommen. Doch auch da hört man 6 Wochen vor der Ernte auf – aus lebensmittelhygienischen Gründen. Bei Tomaten, Gurken und Beeren und Co. geht das nicht, da hier die Früchte direkt verzehrt werden. Das Risiko einer Kontamination mit unerwünschten Bakterien wäre zu hoch.
Während der Wachstumsphase der Kulturpflanzen von Mai bis Juli fährt unser Produktions-Team nun also immer mal wieder mit dieser «Bio-Kur» übers Feld. Im Schnitt ungefähr alle 1-2 Wochen. Insgesamt war das Rafzer Team über alle Kulturen gesehen schon 5-7 Mal unterwegs. «Eigentlich produzieren wir momentan dauernd neuen Komposttee», sagt der Produktionschef. Denn es ist Hochsaison auf dem Feld.
Erfolgreich beim Hafer und Weichweizen
Das erste Fazit war zufriedenstellend. Beim Hafer und Weichweizen (der für Mehl für unser Brot verwendet wird), war der Einsatz bisher sehr erfolgreich. Der Hafer hatte vor der Anwendung schon gelbe Spitzen. Das ist immer ein Zeichen, dass es ihm nicht gut geht und er Stress empfindet. Sei es, weil es zu kalt oder zu nass war. Nach wenigen Anwendungen mit dem Komposttee war der Hafer bereits wieder grün. Auf Fungizide konnte hier bisher verzichtet werden. Ebenso beim Weichweizen.
Anders sah es allerdings beim Hartweizen aus. «Hier war der Krankheitsdruck aufgrund des nassen Wetters zu gross und wir hatten mit Pilzbefall zu kämpfen. Da sind wir leider nicht ganz ohne Fungizide durchgekommen». Aber dies sei wieder ein gutes Beispiel dafür, warum ein komplettes Verbot dieser Mitteln Quatsch wäre. Natürlich soll man nicht zur knallharten Ertragsoptimierung Gift auf die Felder schmeissen. Aber wenn’s hart auf hart kommt, wollen wir diese Option in Betracht ziehen können.
Lohnt sich das?
Komposttee ist natürlich bei weitem nicht gratis. Dafür spart man einiges an Insektizid und Fungizid ein. Ob die Rechnung aufgeht und ob wir längerfristig mit Komposttee arbeiten werden, können wir noch nicht sagen. Das kann in einer Saison klappen, aber in einer anderen nicht. Und in der landwirtschaftlichen Produktion ist kein Jahr gleich. Wie so vieles, das wir momentan ausprobieren, ist auch der Komposttee ein Versuch. Aber wenn’s auch langfristig funktioniert, haben wir schon wieder etwas gewonnen. Denn der Komposttee ist biologisch abbaubar 😉.
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