Zu Jucker Farm
Werner Bächli bei der Fallenkontrolle
von Valérie

In die Falle gegangen!

Wer hier an einen armen Braunbären mit Pfötli in einer fiesen, gezackten Bärenfalle denkt, liegt hier nicht ganz falsch. Auch auf einem Obstbauernhof gibt es Fallen. Allerdings keine Bärenfallen. Aber Fallen ohne Zacken, dafür mit einem Papier, das mit einem besonders widerspenstigen Leim bestrichenen ist. Hier sollen die «bösen» Schädlinge landen, die unsere Äpfel, Birnen, Zwetschgen und Kirschen befallen und im schlimmsten Fall total ungeniessbar machen. Sie heissen Apfel-, Zwetschgen- oder Schalenwickler, kleiner Fruchtwickler, Apfel- oder mehlige Blattlaus, Miniermotten oder Pockenmilben.

Ganz ohne Tiere töten geht es auch auf dem Obstbauernhof nicht. Sobald die ersten Blüten im April Tageslicht erblicken, kommen auch die ersten Schädlinge auf den Plan. Und sie geben keine Ruhe, bis die Äpfel und ihre süssen Kumpanen im Herbst unter Dach und Fach sind.

Genau hinschauen für weniger Chemie

Aber statt einen Haufen Chemie auf gut Glück in der Gegend herumzuspritzen, stellen wir lieber Fallen auf und zählen, wie viele Schädlinge in die Falle gegangen sind, damit wir unsere Pflanzenschutzmassnahmen ganz genau auf den tatsächlichen Bedarf abstimmen können. Neun mal pro Jahr nimmt man so eine Auszählung vor, vom Winter bis zur Ernte. Im Juni steht jeweils die so genannte «Sommerkontrolle» an. Das ist die letzte Messung vor der «Erntekontrolle».

Das Ziel dieser Messungen ist es, den Schädlingsdruck engmaschig zu überwachen. Wird ein gewisser Grenzwert überschritten, werden Massnahmen ergriffen. Und zwar erst dann. Früher war das auf dem Bächlihof im Schnitt pro Saison rund zweimal der Fall.

Seit 2020 wurden auf dem Bächlihof aber gar keine Insektizide mehr verwendet. Im Zuge der Umstellung auf die regenerative Landwirtschaft wurde auf eine konsequente Nützlingsförderung geachtet, was bisher sehr gut funktioniert hat.

Trotzdem führt das Obstbauteam vom Bächlihof weiterhin Auszählungen durch. Denn: «Ohne Auszählung bemerkt man eine Störung im Gleichgewicht erst, wenn es bereits zu spät ist», erklärt Stefan Bächli.

WB kontrolliert Pheromonfalle

Kontrolle einer Pheromonfalle im Juni.

Pheromonfalle im Inneren

Pheromonfalle von innen. Der Duftkörper hängt in der Mitte, unten das weisse Leimpapier.

7 Apfelwickler kleben auf Papier

Sieben Apfelwickler sind diesmal in die Falle gegangen.

Befallenes Blatt

Mehlige Apfelblattläuse

Ausgefüllte Nützlingstabelle

Auch Nützlinge werden ausgezählt

Beschrieb Gelbfalle im Lehrbuch

Gelbfallen im Lehrbuch

Zur Not erlaubt

Der Juni 2023 war ein gutes Beispiel dafür: «In diesem Jahr musste ich etwas gegen die Sägewespen machen. Die Schadschwelle mit der Weissfalle läge bei 20-30 Stück – dieses Jahr habe ich nach 200 Sägewespen aufgehört zu zählen», erzählt Bächli.

Das erste Mal seit langer Zeit musste Bächli die Spritze auffahren und ein synthetisches Mittel benutzen, das sich früher bereits in der Anwendung bewährt hat. Kostenpunkt 50 Franken pro Hektare. «Versuchsweise habe ich auch ein Biomittel auf 10% der Fläche angewendet. Kostenpunkt: 1200 Franken pro HA». Bächli muss sich also gut überlegen, ob er künftig auf das Biomittel setzen kann. Besser ist es, Bedingungen zu schaffen, in denen Spritzen erst gar nicht nötig wird und mit Nützlingen zu arbeiten – eine Strategie, die er ohnehin verfolgt – die aber diesmal nicht ausgereicht hat.

Diese Situation dient gut der Illustration, warum wir uns in der regenerativen Landwirtschaft keine absoluten Verbote auferlegen. Wir sind immer um möglichst «saubere» Landwirtschaft bedacht. In einem Notfall wie diesem behalten wir uns aber vor, auf jene Mittel zurückzugreifen, die unserer Meinung nach den besten Job machen (auch in Bezug auf ökologische Faktoren).

Arten von Schädlingsfallen

Item. Zurück zu den Fallen… Wir wollen doch jetzt endlich wissen: Wie funktioniert der ganze Zauber? Es gibt Pheromonfallen sowie Weiss- und Gelbfallen.

Schädlinge in Pheromonfallen

Die Pheromonfallen sind kleine «Häuschen», die im Baum aufgehängt werden. In den Häuschen hängt ein «Duftstempel», darunter liegt ein mit klebrigen Leim bestrichenes Papier. Die Seiten der Häuschen sind etwas hochgeklappt, dass die Schädlinge nicht mehr so gut raus können. Diese Pheromonfallen werden 1-mal wöchentlich ausgezählt. Wenn nötig wird das Leimpapier ausgewechselt.

Weiss- und Gelbfallen

Neben den Pheromonfallen gibt es auch Weiss- und Gelbfallen. Je nach Art der Blüten, die gerade blühen, kommt entweder die eine oder die andere zum Zug. Blühen die weissen Apfelblüten, kommen die Weissfallen zum Zug. Das ist im Prinzip einfach eine Konstruktion aus klebrigem, weissem Papier. Die Schädlinge, die auf die weissen Blüten gehen, werden von der weissen Fläche angezogen und bleiben am Papier kleben. Gelbfallen kommen dann zum Zug, wenn die Kirschen gelb werden.

Eine Schädlingsauszählung kann aber auch direkt in den Bäumen vorgenommen werden. In fünf verschiedenen Sorten werden jeweils Stichproben an 50 Ästen entnommen. Diese Art der Zählung dauert total ca. 1.5 Stunden. Am Schluss werden alle Schädlinge und Nützlinge addiert. Je nachdem wie das Verhältnis ist, wird entschieden, ob es wirklich nötig ist, Pflanzenschutzmittel zu spritzen.

Spannender Standort

Auch für regelmässige wissenschaftliche Untersuchungen ist der Bächlihof ein guter Standort, weil er von anderen Bauernhöfen relativ isoliert ist. So überwacht der Kanton heute noch das Vorkommen von Feuerbrand und der Kirschessigfliege auf dem Bächlihof.

Diese Lage ist auch in Bezug auf den Pflanzenschutz ein immenser Vorteil, da hier Krankheiten und Schädlinge – wenn sie mal bekämpft sind – nicht so leicht wiederkommen. Ein optimales «Labor» also, um mit neuen Anbautechniken etwas mutiger zu sein als anderswo.

 

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PFLANZENSCHUTZTHEMA

Der Pflanzenschutz ist derzeit ein Thema, das in der Öffentlichkeit breit diskutiert wird. Da wir hier nahe am Puls der Praxis sind, wollen wir aufzeigen, welche Problemstellungen sich täglich stellen und warum wir entscheiden, wie wir entscheiden. Damit der Konsument erkennt, wie seine Einkaufsentscheide die Art der Produktion beeinflussen.

In einem Übersichtsartikel fächern wir die verschiedenen Aspekte der Thematik auf. Momentan befinden wir uns in der Diskussion hier:

Juckerfarm Infografik Pflanzenschutz Schaedlinge

Valérie war Vollblutautorin des FarmTickers (bis Juni 2024) und immer zur Stelle wenn's "brennt". Sie mag schöne Texte und offene Worte. (Zum Portrait).

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