Ausfälle bei der Getreideernte
Die Getreideernte Ende Juli war mal wieder ein Lehrstück in Sachen Pflanzenschutz – beziehungsweise darüber, wie ausgeliefert wir dem Wetter sind. Mehrere Parzellen unseres Hart- und Weichweizen waren nämlich von Fusarienbefall und Auskeimung betroffen. Das führt dazu, dass wir - auf gut Deutsch gesagt – einen wesentlichen Teil davon in die Tonne treten können. Beziehungsweise in die Biogasanlage. Doch erst mal von vorn:
Was sind Fusarien?
Fusarien sind parasitäre Schlauchpilze, die Getreide aller Art befallen können. Insbesondere bei nassen Bedingungen in der Blütezeit. Und diese hatten wir diesen Frühling zu Genüge.
«Fusarien sind etwas vom Schlimmsten, was man sich im Ackerbau einfangen kann».
Robert Courth, Produktionsleiter
Fusarien sorgen nicht nur dafür, dass die Körner verkümmern, sondern bilden ausserdem gefährliche Mykotoxine. Ein Befall führt nicht selten dazu, dass die gesamte Ernte einer Parzelle gleich als Ganzes vernichtet werden muss. Um zu verhindern, dass kontaminiertes Getreide in den Verarbeitungskreislauf gelangt, wird standardmässig jede geerntete Ladung bei der Anlieferung in der Getreidesammelstelle jeweils mittels Stichproben analysiert.
Wenn der Fusarienbefall zu hoch ist, wird das befallene Getreide aufgrund der Toxizität auch nicht mehr als Futtermittel eingesetzt, sondern muss einfach verbrannt werden. «Fusarien sind etwas vom Schlimmsten, was man sich im Ackerbau einfangen kann», sagt Robert Courth, Produktionsleiter in Rafz. Das tut dem Bauern nicht nur wirtschaftlich weh, sondern ist auch einfach eine unnötige Verschwendung von Ressourcen.
1'000 Millionen Tonnen pro Jahr
«Die Food and Agriculture Organization of the United Nations (FAO) schätzt, dass bis zu 25% der Weltproduktion von Nahrungsmitteln mit Mykotoxinen kontaminiert sind und pro Jahr etwa 1'000 Millionen Tonnen an Nahrungsmitteln auf Grund von Mykotoxinbelastungen verloren gehen», heisst es auf agroscope.ch.
Befallene Ähren erkennt man daran, dass sie ausgebleicht sind und die Körner darin rosa bis rot verfärbt sind. Dieses Jahr ist der Fusarienbefall bei vielen Bauern aufgrund der extrem nassen Witterungsbedingungen besonders krass. Brigitte Gehring von der Getreidesammelstelle (GeSa) Hüntwangen sagt, das habe sie so noch nie erlebt. 2016 gab es in der GeSa Hüntwangen letztmals vermehrt Fusarien in den Proben. Doch nie in dem Ausmass, wie es dieses Jahr vorkommt: Bis Mitte Juli hatten nur rund 30% der in der GeSa Hüntwangen angelieferten Ladungen eine ausreichende Qualität. Normalerweise sind es nahezu 100%.
Wie bei anderen Bauern wird auch unsere Getreideernte in Hüntwangen angeliefert und getestet. Eine unserer Parzellen mit Weichweizen an problematischer Lage hatte den Schwellenwert bei weitem überschritten – diese rund 7 Tonnen taugen nur noch für die Biogasanlage. Eine zweite Parzelle – rund 16 Tonnen – eignet sich gerade noch als Futtergetreide – allerdings nicht für alle Tiere. Unsere beiden anderen Parzellen waren glücklicherweise einwandfrei in der Qualität. Was das finanziell bedeutet? Für 100 kg Futtergetreide kriegt man rund 20.- Franken. Für die Verwertung in der Biogasanlage sind es noch 8.- Franken pro 100 Kilogramm. Für qualitativ einwandfreies Getreide läge der Wert bei rund 60.- Franken.
Welches Getreide wofür eingesetzt wird, erklären wir in einem anderen Artikel.
«Abwechselnd immer etwas nass und dann wieder etwas warm – aber nie lange genug sehr trocken. Das sind ideale Keimbedingungen.»
Hartweizen-Ertrag noch unklar
Beim Hartweizen sieht es nicht besser aus. Hier konnte man den Fusarienbefall sogar von Auge erkennen. Deshalb wurden die befallenen Körner bei einer kleinen Probe aussortiert. Wenn dann der Grenzwert bei den verbleibendenden Körnern nicht überschritten wird, könnten sie trotzdem verwendet werden. Die von Fusarien befallenen Körner einer Lieferung von den restlichen, «guten» Körnern zu trennen ist möglich, kostet aber für 200.- Franken pro Tonne.
Nur – ob sich daraus auch noch vernünftige Pasta herstellen lassen, das wissen wir noch nicht. Das liegt aber vielmehr an einem zweiten Problem: Der Auskeimung. Auch diese Problematik ist dem Wetter geschuldet. Der Sommer war sehr nass, es konnte erst spät geerntet werden. Wenn das Getreide zu lange im Feld steht, beginnen die Körner wieder auszukeimen. Besonders bei Bedingungen wie diesen Sommer: Abwechselnd war es immer etwas nass und dann wieder etwas warm – aber nie lange genug trocken. Das sind ideale Keimbedingungen.
Und sobald die Körner keimen, sinkt ihre spezifische Dichte – und damit auch ihre Backqualität. Die so genannte «Fallzahl», also die Geschwindigkeit, mit der die in Wasser gelöste Probe zu Boden sinkt, liegt beim Weizen zwischen 250 und 300. Manche unserer Proben hatten dieses Jahr eine Fallzahl von 80. Damit lässt sich schlicht kein vernünftiges Brot mehr backen, da die Bindefähigkeit komplett verloren gegangen ist. Wie es sich bei der Herstellung von Pasta verhält, ist noch nicht klar. Diese detaillierteren Messungen stehen noch aus. Erst dann können wir entscheiden, ob wir unsere Hartweizenernte noch aussortieren lassen.
Hätte hätte Fahrradkette
Eigentlich hatte Robert sein Getreide dieses Jahr komplett ohne Fungizide produzieren wollen und es nur mit Komposttee-Behandlungen versucht. Doch wie sich schon im Juni abzeichnete, reichte das beim Hartweizen leider nicht, weshalb sich Robert entschloss, doch noch eine Notbehandlung mit Fungiziden vorzunehmen. Doch die Anwendung kam zu spät, als dass sie noch einen wesentlichen Einfluss gehabt hätte.
«Wir werden nicht die Einzigen sein».
Vorneweg: Fusarienbefall hätte es bei diesen extremen Witterungsbedingungen wohl sowieso gegeben. Nicht nur hatten die Ähren durch den ständigen Regen keine Zeit, richtig abzutrocknen, sondern der Hagel beschädigte die Körner stärker als erwartet und schuf die perfekte Eintrittspforte für Feuchtigkeit und Krankheitserreger.
Dazu kam, dass man im Zuge der Umstellung auf die regenerative Landwirtschaft auf eine zu starke Bodenbearbeitung verzichtet hatte und die stark gewachsene Untersaat erschwerte zusätzlich die Abtrocknung der Ähren. Insgesamt führte das dazu, dass wir dieses Jahr einen massiven Ertragsausfall haben werden. Und wir werden nicht die Einzigen sein. Wie oben erwähnt, hatten auch weitere Bauern im Einzugsgebiet der GeSa Hüntwangen zu kämpfen. Das Bild dürfte in der ganzen Schweiz ähnlich aussehen.
Statt der erwarteten 50 Tonnen Weichweizen für Brot und Backwaren wurden es gerade mal 23 Tonnen. Beim Hartweizen hatten wir mit 12 Tonnen Ertrag gerechnet – hier ist wie gesagt noch unklar, ob wir überhaupt etwas davon nutzen können werden.
«Es scheint paradox, aber hier produziert für einmal die Natur selbst ein Gift».
Was ist giftiger?
Abgesehen davon, dass das Wetter heuer primär schwierig war: Hätte man früh genug mit Pflanzenschutzmitteln eingegriffen, hätte es wohl nicht ganz so trostlos ausgesehen. Es scheint paradox, aber hier produziert für einmal die Natur selbst ein Gift. Ein Gift, das gemäss Info von agroscope.ch «Leber- und Nierenschädigungen, Beeinträchtigungen des Immunsystems, Haut- und Schleimhautschäden, oder hormonelle Wirkungen wie Fruchtbarkeitsstörungen hervorrufen können. Manche Mykotoxine sind auch krebserregend und können Erbschäden hervorrufen.» Das relativiert den Einsatz von Fungiziden doch etwas. Natürlich soll man nicht blind Chemie auf den Acker schmeissen. Aber wenn man die Wahl hat, die Ernte verbrennen zu müssen, oder rechtzeitig wohldosiert nachzuhelfen – was tut man dann?
«Denn wenn die Ernte futsch ist, dann bleibt einem nichts anderes übrig, als den Weizen von wo anders zu beziehen».
Abschliessend betrachtet zeigt dieses Beispiel sehr schön, dass es eben nicht nur schwarz-weiss gibt im Bereich Pflanzenschutz. Das «böse» Spritzen ist manchmal einfach nötig, um die Ernte zu retten. Denn wenn die Ernte futsch ist, dann bleibt einem nichts anderes übrig, als den Weizen von wo anders zu beziehen. Bei jemandem, der vielleicht nicht so viel riskiert hat im Anbau, aber dafür vielleicht etwas mehr Pflanzenschutzmittel eingesetzt hat als wir.
Katrin Nesemann
Vielen Dank für den Artikel und den Kommentar. Ich freue mich, dass hier solche Themen mal so vielseitig beleuchtet werden. Da könnte man jetzt stundenlang weiter schreiben, aber wichtig ist ja, dass schon deutlich geworden ist, dass es keine einfachen Antworten gibt. Danke dafür!
Arkon Meier
Ein sehr interessant geschriebener Artikel, der auch viel Einblick in das Denken und Handeln vernünftiger Schweizer Bauern zeigt. Ein Kritikpunkt zum Thema Pflanzenschutz muss man sich jedoch erlauben: Während befallenes Getreide relativ gut zersetzt wird, sind bei Pflanzenschutzmitteln viele Mechanismen und Langzeitwirkungen noch unklar. Ein massvoller Umgang damit ist sicher im Sinne der gesammten Bevölkerung wünschenswert.
Was man nicht ausser Acht lassen darf: Es stimmt zwar, dass in der Schweiz der Sommer absolut verregnet war und massive Ernteausfälle geschehen werden. Wiederum gab es in nicht einmal 7 Zugstunden entfernten Bio-Anbaugebieten in Tschechien, Ungarn und Kroatien geradezu Rekorernten - ganz ohne Chemiekeulen. Der Getreideanbau war schon immer eine Lotterie. Viel wichtiger ist es, gemeinsam Lösungen zu finden und Defizite mit Überschüssen auszugleichen.
Ein verregneter Sommer ist auch eine Chance für den Schweizer Boden, die Belastungen der letzten Jahre abzuwaschen. Um in den Jahren darauf besseres, gesünderes Getreide zu liefern. Es ist wichtig, Bauern diese Weitsicht zu ermöglichen und die Natur langfristig zu schützen. Da ist es gut, wenn sich Bauern gegenseitig über die Labdesgrenzen hinaus helfen. Damit am Ende alle guten, gesunden Boden und genug zu essen haben.
Valérie Sauter
Lieber Arkon, vielen Dank für deinen feinsinnigen Input und diesen Perspektivenwechsel. Ich denke es ist eine Grundsatzfrage, wie hoch man die Lebensmittelherstellung im eigenen Land priorisiert. Auch unter dem ökologischen Gesichtspunkt betrachtet. Längerfristig wird uns wohl gar nichts anderes übrigbleiben, als international zusammenzuarbeiten, wenn man bedenkt, dass durch den Klimawandel solch extreme Wetterlagen immer häufiger werden.