Die heilige Kuh «Milch»
Heute ist Tag der Milch. Ein freudiger Anlass, um die Existenz des Elixiers der Allgemeingesundung zu feiern – finanziert und ins Leben gerufen von Swissmilk: «Jährlich feiert Swissmilk schweizweit mit über 100'000 Besucherinnen und Besuchern den Tag der Schweizer Milch», heisst es da auf der Website.
Rund 40 Mio. CHF Budget steht Swissmilk jährlich zur Verfügung, um die Schweizerinnen und Schweizer dazu zu bewegen, noch mehr Milch zu trinken – oder bloss nicht damit aufzuhören (Quelle: Geschäftsbericht 2020). 57% dieses Betrags stammt von Mitgliederbeiträgen, 22% von Erträgen aus Dienstleistungen und 21% sind «Bundesmittel für das Milchmarketing» (Quelle: swissmilk.ch)
Rund 8 Millionen an Staatsgeldern dürfte Swissmilk pro Jahr also für solche und andere Werbeaktionen ausgeben. Und sie sind bestrebt, möglichst viele «Milchbotschafter» zu rekrutieren: «Werden Sie unser Milchbotschafter 2022!» heisst es da auf der Seite.
«Lässig! Wir haben Hafermilch, wir melden uns» – dachten wir und wollten uns gleich anmelden. Doch die Ernüchterung folgte auf den Fuss. Auf Seite 4 von 6 des Bestelldossiers für Standaktionen heisst es unter einem separaten Punkt «Pflanzendrinks»: «Danke, dass Sie keine Pflanzendrinks kaufen, denn diese sind bezüglich Nährstoffe kein Milchersatz und werden von uns auch nicht rückvergütet».
Ah. Demfall sind wir als Standbetreiber nicht erwünscht.
Pflanzendrinks als Reizprodukt
Überhaupt ist man in bestimmten Kreisen auf Pflanzendrinks gar nicht gut zu sprechen. Von «chasch nöd suufe», über «hät ja nüüt drin» bis hin zu «das isch wieder irgend sonen Veganer-Furz» kriegt man die ganze Palette zu hören.
Doch woher kommt er eigentlich, dieser blinde Hass auf alles Pflanzliche?
Ist denn Hafer nicht auch ein landwirtschaftliches Produkt, das grundsätzlich hier in der Schweiz produziert werden kann? Ist es der Neid über die 3-5 Franken pro Liter, für die Pflanzendrinks im Laden verkauft werden? Stellt der Pflanzendrink wirklich eine Konkurrenz dar? Anhand der Vehemenz, mit der Pflanzendrink niedergemacht werden, könnte man diesen Eindruck schon bekommen. Denn was keine Bedrohung darstellt, wäre es auch nicht wert, sich darüber aufzuregen oder sich davon abzugrenzen.
Das Tüpfligeschiss um den korrekten Begriff
Seit 2017 ist es auch nicht mehr erlaubt, von Reis-, Soja- oder Hafermilch zu sprechen. Es gibt sogar ein Verbot (man stelle sich das mal vor!), Pflanzenmilch als solche zu benennen. So gross ist die Bedrohung scheints schon.
Dabei bezeichnet der Begriff «Milch» vorerst einfach mal eine «eine weiße, trübe Emulsion» (Quelle: wikipedia.org). Der Ausdruck «milchig» wird ohnehin für allerlei trübe Substanzen verwendet. Seit Jahrzehnten wurde der Begriff sogar bei Kosmetikprodukten als «Feuchtigkeitsmilch», «Reinigungsmilch» verwendet - und niemand hat sich je daran gestört. Bis die Pflanzendrinks bei immer mehr Leuten beliebt wurden.
Da wurde es plötzlich zu einem Problem, von Reis- oder Hafermilch zu sprechen. Es wird also ein Verbot erlassen, etwas mit dem logischsten aller Begriffe zu bezeichnen, der eigentlich für alle klar wäre. Nun muss der Behelfsbegriff «Drink» herhalten. Was man jetzt assoziativ eher mit einem alkoholischen Mischgetränk in Verbindung bringen könnte – aber item.
Sind wir ehrlich: Diese Vorgabe ist an lächerlicher Kleinlichkeit kaum zu übertreffen. Als würde auch nur 1 Liter Kuhmilch mehr verkauft, nur weil man von Haferdrink statt von Hafermilch spricht.
Täubele oder das Beste draus machen
Wir haben grundsätzlich sehr viel Verständnis für die Existenzängste der Milchbauern. Und wir finden die Preise, die für Kuhmilch noch bezahlt werden, alles andere als fair. Aber ist die Krise in der Milchbranche wirklich der Existenz von Pflanzendrinks geschuldet? Das wäre doch stark zu bezweifeln. Es ist einfach noch ein Feind mehr, den es offenbar nicht auch noch verträgt.
Es gibt immer zwei Arten, mit neuen Entwicklungen umzugehen. Entweder man stellt sich quer und täubelet oder man akzeptiert die neue Situation und stellt sich darauf ein. Der Kampf um die Milch ist mit dem Sieg über die Bezeichnung bei weitem nicht gegessen.
Wenn wir heute also den «Tag der Milch» feiern, dann sind wir Hafermilchproduzenten gar nicht mitgemeint. Sondern die Schweiz hat ausschliesslich der Kuhmilch zu huldigen. Denn sie ist das einzig Wahre – wie es scheint.
«Kuhmilch ist gesünder»
Hauptargument für die Kuhmilch und gegen die pflanzliche Milchalternative sind ja hauptsächlich die Nährwerte. Hier also der Vergleich:
Quellen: gutekueche.ch und eatsmarter.de
Vollmilch hat mehr Eiweiss drin, das stimmt. Aber auch mehr Fett und mehr Kalorien. Es ist immer die Frage, was ich mit der Ernährung für ein Ziel verfolge. Und wenn es darum geht, möglichst viel Eiweiss zu mir zu nehmen, dann ist ein Eiweissgehalt von ca. 3% auch nicht unbedingt DAS Argument für ein Lebensmittel. Da gibt es andere Alternativen, die besser abschneiden. Und was, wenn ich eigentlich froh bin, wenn mein Müsli- oder Kaffeezusatz gar nicht so viele Kalorien enthält? Es gibt nicht umsonst fettreduzierte Kuhmilch, oder?
Die Kuhmilch an sich soll hier gar nicht schlecht geredet werden. Natürlich enthält sie viele Nährstoffe – sie soll ja schliesslich auch Kälbchen mit Nahrung versorgen, damit sie gross und stark werden.
Es ist nur etwas überzogen, wie stark dieses Thema politisch und emotional aufgeladen ist, wie diskussionslos über pflanzliche Milchalternativen hergezogen wird und wie diese in gewissen Kreisen kategorisch abgelehnt wird.
Hafermilch hat ihren Platz in unserer Ernährung verdient. Äh tschuldigung – HaferDRINK.
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