Bauer: Klimasünder oder -Retter?
Zuerst gleich mal Folgendes vorweg: Am schweizweiten Gesamtausstoss von den gesamten CO2-Äquivalenten ist die Landwirtschaft «nur» zu 13% beteiligt (agrarbericht.ch). In Deutschland sind es 7% (bauernverband.de).
Und natürlich wäre es ein Hohn, die Landwirtschaft zum schwarzen Peter zu brandmarken, denn sie produziert unser aller Essen. WENN man schon von «Schuld» spricht, dann geht es uns alle gleichermassen an. Denn darüber WAS wir essen, entscheiden immer noch wir und auch wie viel wir dafür zu bezahlen bereit sind und wie dementsprechend produziert wird.
Trotzdem ist es sicher richtig, sich zu fragen, was man denn in der Landwirtschaft machen kann. Wo fallen die meisten Klimagase an? Wo ist der grösste Hebel? Wo kann man in der Landwirtschaft am besten ansetzen, um die Emissionen zu reduzieren? Denn dass das nötig ist, steht ausser Frage. Und es ist nicht mehr als verantwortungsbewusst, wenn man seinen Teil an der Lösung dieser globalen Herausforderung beiträgt, und möge er auch noch so klein sein. Ehrensache, oder?
Aber jetzt erst mal: First things first:
Wo fallen Klimagase an?
«Zu den landwirtschaftlichen Emissionen im engsten Sinn gehören die CH4 (Methan) und N2O (Lachgas) -Emissionen aus der Verdauung durch die Nutztiere, aus dem Hofdüngermanagement und aus (gedüngten) Böden. Daneben werden noch CO2-Emissionen aus der Nutzung fossiler Energieträger zum Landwirtschaftssektor gezählt. Darunter fallen aktuell im Wesentlichen die Treibstoffverbräuche für landwirtschaftliche Fahrzeuge sowie Brennstoffverbräuche von Trocknungsanlagen.» (Quelle: bafu.admin.ch).
Salopp gesagt also: Dünger, Viecher und Maschinen.
Der Ausstoss von CO2 selbst fällt in der Landwirtschaft jedoch gar nicht so sehr ins Gewicht. Viel relevanter (und schädlicher) sind Methan aus der Tierhaltung (Lagerung von Gülle und Mist, Schaf- und Rinderhaltung) und Lachgas aus der Düngerbewirtschaftung. Sie sind um ein Vielfaches klimawirksamer als das CO2.
«Bei Lachgas, das etwa 300-mal so klimaschädlich ist wie CO2, gehen sogar über 80
Prozent des Gesamtausstosses auf das Konto der Landwirtschaft. Es entsteht vor allem durch die Ausbringung von stickstoffhaltigen Mineraldüngern und Gülle auf Äckern und Grünland», heisst es auf der Seite Landwirtschaft.de.
Hier ist also am meisten Fleisch am Knochen. Also ist – wer keine Tiere hält - «fein raus»?
Eine positive Bilanz hat nur der Wald
Man könnte ja meinen, dass Obst- und Gemüsebauern sogar eine positive Klimabilanz haben, da sie ja «nur» Pflanzen anbauen, die wiederum CO2 binden und keine Tiere halten, die schädliche Klimagase ausstossen.
Ganz so einfach ist es dann aber doch nicht. Die Ausbringung von Kunstdünger schlägt eben auch zu Buche und gepflügt wird heute nun mal mit dem Dieseltraktor und nicht mehr mit dem guten alten «Fuhrli». Zudem ist wichtig, wie das Land überhaupt gewonnen wurde. Denn wo Wald abgeholzt wird oder Moore trockengelegt werden, ist die Bilanz bereits versaut, bevor man überhaupt angefangen hat, zu produzieren (Landwirtschaft.de). Zudem generiert die Bearbeitung von Boden an sich schon Emissionen. Und zwar nicht zu knapp.
Also besser als der Gemüsebauer ist immer noch der Wald. Der gibt aber halt keine Kartoffeln und keinen Weizen. Und wir müssen nun mal essen.
Reduktion ist möglich
Trotzdem: Eine Reduktion ist möglich. Das zeigt eine Gruppe engagierter Bauern (zu der wir auch gehören) rund um das Projekt «Agroco2ncept Flaachtal». Allen voran Vorreiter Toni Meier. Er konnte seine Treibhausgase von rund 58 Tonnen im Jahr 2012 innerhalb von 6 Jahren auf 11 Tonnen reduzieren. «Spätestens bei meiner Pensionierung will ich klimaneutral sein. Ich habe also noch fünf Jahre Zeit» (agrocO2ncept.ch).
Nahrungsmittel produzieren und dabei klimaneutral bleiben? Das ist eine Leistung die einen Orden verdient. Zur Einordnung: Meier hält in seiner Betriebsgemeinschaft mit Hanspeter Breiter kein Vieh: Von den rund 40 Hektaren Land sind 10 HA ökologische Ausgleichsflächen. Auf den restlichen 30 HA werden Weizen, Gerste, Erbsen, Sonnenblumen und Mais sowie Kunstwiesen mit Gras, Klee und Luzerne angebaut (agrocO2ncept.ch)
Und bei uns?
So genaue Zahlen wie Toni Meier haben wir für unsere Betriebe noch nicht. Eine solche Berechnung genau anzustellen würde – für einen Betrieb unserer Komplexität - mehrere Zehntausend Franken kosten. So oder so befinden wir uns aber bereits auf dem Weg zu einer möglichst emissionsarmen Landwirtschaft. Unsere Tierhaltung beschränkt sich im Wesentlichen auf Gänse in Weidehaltung. Die Emissionen hier dürften sich in Grenzen halten. Zumal Weidehaltung auch dem Humusaufbau dient und Gänse keine Rinder sind.
Bleiben also noch Dünger und Maschinen. Bei den Maschinen können wir noch nicht viel machen – zumindest so lange nicht, bis die Traktoren emissionsfrei unterwegs sind. Bezüglich fossiler Emissionen haben wir das Potenzial weitgehend ausgeschöpft. Alle Ölheizungen wurde im Rahmen von Gesamtsanierungen ersetzt. Und unsere Betriebsfahrzeuge werden laufend durch elektrische ersetzt. Aktuell sind bereits 3 Lieferwagen und 3 PWs mit Strom betrieben, den wir auf dem Spargelhof in Rafz weitgehend selber herstellen.
Potenzial Boden
Somit gilt es, sich auf den Boden zu konzentrieren – wie es in der regenerativen Landwirtschaft ohnehin die Idee ist. Denn ein gesunder Boden hat viel Potenzial, CO2 zu speichern.
Die regenerative Landwirtschaft kennt zwei wesentliche Grundsätze, die den Boden betreffen und die gleichzeitig helfen, die Emissionen möglichst tief zu halten:
- Möglichst geringe Bodenbearbeitung: Wie wir oben gesehen haben, generiert die Bodenbearbeitung ebenfalls einen grossen Teil der Emissionen. Wird die möglichst tief gehalten, gibt es auch weniger Emissionen.
- Ständige Bodenbedeckung anstreben: Dies kann erreicht werden durch Gründüngung. Denn in Pflanzen ist CO2 gespeichert. Wenn diese das immer direkt an die nächste Pflanzengeneration weitergeben, bleibt das CO2 gebunden und gelangt nicht in die Luft. Zudem wird Kunstdünger eingespart, bei dessen Ausbringung und Herstellung ebenfalls Emissionen entstehen.
Gründüngung in Form von Zwischen- oder Untersaaten setzen wir bereits bei fast allen Kulturen ein.
Von 2020 auf 2021 haben wir 50% unseres Kunstdüngereinsatzes eingespart, dieses Jahr sollen weitere 20% wegfallen und durch Terra Preta ersetzt werden. Rund 1000 m3 frische Terra Preta sind gerade in Produktion. Dafür wurden ca. 50 m3 Pflanzenkohle eingesetzt und diese kann ca. 130 Tonnen CO2 Äquivalente binden (Berechnungsgrundlage: agroco2ncept.ch).
Grosses Potenzial liegt auch im Aufbau von Humus, der zum Beispiel durch ständige Bepflanzung und Einsatz von Terra Preta erreicht werden kann. Wird der Dauerhumusanteil im Boden um ca. 1% gesteigert, können pro Hektare je nach Bodenart zwischen 30 und 56 Tonnen CO2 zusätzlich gebunden werden (stiftunglebensraum.org).
Martin Jucker: «Unser Ziel ist nicht an eine konkrete Zahl gebunden. Durch unsere Ausrichtung auf die regenerative Landwirtschaft erreichen wir 2 Ziele: Wir bekämpfen zum einen die Ursache des Klimawandels und machen uns gleichzeitig gegen dessen Folgen widerstandsfähiger.»
Noch keine Kommentare zu “Bauer: Klimasünder oder -Retter?”